Wie sieht die Transplantations­medizin der Zukunft aus?

Interview mit Prof. Bruno Reichart, einer der international führenden Kapazitäten der Herzchirurgie und Co-Leiter eines Konsortiums, das sich – immer erfolgreicher – mit dem Projekt Xenotransplantation befasst

Porträt-Prof.-Bruno-Reichart

Dem Herzchirurgen Prof. Bruno Reichart verdanken tausende Menschen ihr Leben. 1983 führte er erstmals in der Geschichte der deutschen Chirurgie die gleichzeitige Verpflanzung von Herz und Lunge durch und wurde über Nacht weltberühmt. Anlässlich seines 75. Geburtstages fand ein Symposium im Faculty Club G2B (Gateway to Biotech) im IZB statt. Susanne Simon interviewte ihn für die „IZB im Dialog“.

Zwei Fragen werden Bruno Reichart zuverlässig von jedem Journalisten gestellt. Die eine geht in die Vergangenheit: „Wie viele Herztransplantationen haben Sie in Ihrem Leben bereits gemacht?“ Die Antwort: „Das kann ich nicht genau sagen. In München an der LMU, unter meiner Leitung, waren es mehr als tausend, die ich natürlich nicht alle selbst durchgeführt habe. In Kapstadt am Groote Schuur Krankenhaus dürften ungefähr noch hundert dazugekommen sein.“ Die andere Frage betrifft die Zukunft der Medizin: „Wann wird der erste Mensch mit einem Schweineherzen leben?“ Reicharts Prognose: „Ich weiß, dass dies mit nicht-menschlichen Primaten möglich ist. Um die Methode in die Klinik zu bringen, müssen bestimmte Voraussetz­ungen erfüllt sein – und das wird im günstigsten Fall noch drei Jahre dauern.“
Bruno Reichart, in Wien geboren und in Ingolstadt aufgewachsen, studierte erst in Erlangen und dann an der LMU, wo er mit Unterbrech­ungen mehr als 40 Jahre lang blieb. Er begann seine klinische Laufbahn bei Prof. Zenker in der Allgemeinchirurgie, von der er sehr bald in die Herzchirurgie zu Prof. Klinner wechselte. 1984 wurde er Nachfolger von ­Christiaan Barnard an der University of Cape Town. Chef der LMU-Herzchirurgie war er von 1990 bis 2011, danach betreute er vier Jahre lang als Sprecher den Sonderforschungsbereich Transregio „Xenotransplantation“, einen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsverbund mit dem Ziel, Schweinegewebe und -organe erfolgreich in Primaten zu verpflanzen. Momentan ist er Co-Sprecher dieses Konsortiums, dessen Leitung Eckhard Wolf, Professor für molekulare Tierzucht und Biotechnologie am Genzentrum der LMU, von ihm übernommen hat. Reicharts Forschung läuft auf Hochtouren, seine Laborräume mit OP sind im Walter-Brendel-Institut des Klinikums Großhadern untergebracht. Zum Team gehören auch zwei Ethiker und ein Rechtswissenschaftler.

Gruppenporträt-Dr.-Peter-Hanns-Zobel,-Geschäftsführer-Elke Reichart,-Prof.-Bruno-Reichart

Dr. Peter Hanns Zobel, Geschäftsführer / CEO, IZB, Elke Reichart, Prof. Bruno Reichart (v.l.n.r.)

im Dialog: Auf dem Symposium, das anlässlich Ihres Geburtstags organisiert wurde, traf sich das „Who is Who“ der Herzspezialisten. Eine hochinteressante Veranstaltung, in der vor allem nach vorn geblickt wurde – nicht unbedingt zu erwarten für einen 75. Geburtstag?
Prof. Reichart: Das Symposium war ohne mein Zutun organisiert worden. Ein sehr schönes Ereignis. Der Dekan der medizinischen Fakultät, der ärztliche Direktor des ­Klinikums Großhadern und mein aktuelles Team nahmen teil. Aber auch viele Kollegen aus den letzten 40 Jahren, wie auch aus der klinischen Zeit und ebenso den Jahren der intensiven Forschung auf dem Gebiet der Xenotransplantation, waren gekommen, zum Beispiel von den verschiedenen Standorten des Transregios: aus Hannover, Dresden, Langen, Berlin und München, ebenso wie aus Bern und Genf.

„Xenogene Herztransplantationen bei ­Menschen werden in Zukunft planbar sein und weniger immunsuppressive Medikamente benötigen.“

Prof. Bruno Reichart

Transplantationsmedizin

Die Transplantationsmedizin hatte immer schon ein großes Problem: Es gibt zu wenig Spender für die vielen Kranken, die von einer Organverpflanzung profitieren könnten. Transplantationen verlängern nicht nur das Leben von Todkranken, sondern schenken wieder mehr Lebensqualität.

im Dialog: Warum liegt Ihr Schwerpunkt auf der Xenotransplantation, die für viele Menschen ja immer noch ein exotisches Forschungsgebiet ist?
Prof. Reichart: Die Transplantationsmedizin hatte immer schon ein großes Problem: Es gibt zu wenig Spender für die vielen Kranken, die von einer Organverpflanzung profitieren könnten. Transplantationen verlängern nicht nur das Leben von Todkranken, sondern schenken wieder mehr Lebensqualität.
In Deutschland war dieser Spendermangel stets besonders ausgeprägt, aktuell hat die Krise einen Höhepunkt erreicht: 2017 sank die Anzahl der Spender unter zehn pro eine Million Einwohner. Eigentlich dürfte Deutschland damit gar nicht mehr Mitglied bei Eurotransplant sein.
Natürlich müssen die Fachgesellschaften und die Bundesärztekammer an möglichen Lösungen arbeiten, zum Beispiel an der Änderung der Logistik. Zudem wäre eine gut funktionierende Alternative zur Humantransplantation extrem wichtig – und schon sind wir beim Thema Xenotransplantation. Xenos ist griechisch und heißt „fremd“. Das Wort bezieht sich in diesem Fall auf nicht-menschliche Spezies, deren Gewebe und Organe man transplantiert. Dabei wäre es am einfachsten, nicht-menschliche Primaten – also Affen – als Spender zu verwenden. Dementsprechende Vorversuche an Pavianen und grünen Meerkatzen habe ich mit meinem Team in Kapstadt bereits in den 80er Jahren durchgeführt. Wir waren erfolgreich, aber scheiterten damals am Einspruch der Universität und der Gesellschaft. Eher akzeptiert werden Gewebe und Organe von Spezies, die von den Primaten weit entfernt sind, und dabei fiel die Wahl auf Schweine. Manche Laien rümpfen darüber die Nase, weil sie Schweine als unsaubere Spezies empfinden. Dabei muss man sich erinnern, dass Schweine vor etwa 90 Millionen Jahren die höchstentwickelten Säugetiere auf dieser Welt waren und wir somit gemeinsame Vorfahren haben. ­

Gruppenporträt-Prof.-Bruno-Reichart-und-rof.-Dr.-med.-Karl-Walter-Jauch

Prof. Bruno Reichart , Prof. Dr. med. Karl-Walter Jauch, Ärztlicher Direktor, Vorsitzender des Vorstands Klinkum Großhadern.

Gruppenporträt-Prof. Paolo Brenner, Herzchirurgie-LMU,-referiert-vor-den-Gästen-des-Symposiums

Prof. Paolo Brenner, Herzchirurgie LMU, referiert vor den Gästen des Symposiums.

im Dialog: Wie vermeiden Sie die Abstoßungsreaktionen bei der Xenotransplantation?
Prof. Reichart: Die große entwicklungsgeschichtliche Differenz bedingt, dass man nicht einfach Gewebe und Organe von unbehandelten Schweinen in Primaten und letztendlich Menschen verpflanzen kann – das Resultat wären dann eine hyperakurate Abstoßung und Gerinnungsstörungen wie Thrombosen. Die entsprechenden Schweine müssen also gen-modifiziert sein: Schädliche Gene werden aus dem Erbgut entfernt, bestimmte menschliche Gene hinzugefügt. Das ist die Aufgabe der Tiermediziner, wir – die Präkliniker – müssen dafür sorgen, dass die verpflanzten Gewebe (wie die Inseln der Bauchspeicheldrüse, Herzklappen) und Organe (Herzen und Nieren) in Primaten auf lange Zeit funktionieren. Beides ist nicht einfach und vieles muss zum ersten Mal erreicht werden.

im Dialog: Wie ist der aktuelle Stand der Forschung in der Transplantationsmedizin?
Prof. Reichart: Die Dresdener Gruppe um Dr. Barbara Ludwig und Prof. Stefan R. Bornstein hat die Inseln der Bauchspeicheldrüse makroverkapselt. Die Kapseln werden unter der Haut implantiert – das muss man sich wie einen Herzschrittmacher vorstellen, nur dass in diesem Fall die poröse umgebende Membran die kleinen Blutzuckermoleküle zu den Inseln gelangen lässt, worauf dann die adäquate Menge an porcinem Insulin abgegeben wird. Das Schöne dabei: Die umgebende poröse Membran weist so kleine Öffnungen auf, dass Mechanismen der Abstoßung wie Antikörper und Zellen nicht ins Innere der Kapsel gelangen können. Man benötigt deshalb keine Immunsuppression und die Spenderschweine müssen gar nicht genetisch modifiziert sein. Die Dresdner Gruppe will noch 2018 ein Pilot-Projekt mit acht diabetischen Patienten starten.
Die Münchner Gruppe um Jochen Seissler von der LMU Med IV in der Innenstadt bevorzugt die Verpflanzung von nicht-verkapselten Inseln, die dann jedoch genetisch modifiziert sein müssen und auch eine Immunsuppression benötigen. Organe kann man ohnehin nicht verkapseln.
Seit kurzem haben wir beim porcinen Herzersatz in nicht-menschlichen Primaten echte und konsistente Langzeiterfolge erzielt – Ergebnisse, die noch nie zuvor erreicht wurden. Die Aussicht auf eine klinische Anwendung ist damit in greifbare Nähe gerückt. Zukünftige xenogene Herztransplantationen bei Menschen werden planbar sein, also während des Tages stattfinden können, zur besten Arbeitszeit. Auch der mikrobiologische Gesundheitszustand der genmodifizierten Schweine wird bekannt sein, mit anderen Worten heißt das: Es werden keine Infektionen übertragen, die mitunter ein Problem bei humanen Transplantationen sind, da diese Eingriffe oft unter großem Zeitdruck durchgeführt werden müssen.

im Dialog: Wie sieht die Transplantation der Zukunft aus?
Prof. Reichart: Wie gesagt, für das Erreichen der Klinikreife werden wir noch Zeit benötigen – und auch Investitionen. Wenn Sie mich nach meinem Traum fragen, der aber meines Erachtens gar nicht so unrealistisch ist: Die transplantierten Gewebe und Organe werden in Zukunft genetisch bedingt zusätzlich an allen ihren Zellen ein immunsuppressives Molekül aufweisen, sodass man noch weniger entsprechende Medikamente benötigt – oder vielleicht gar keine mehr. An dieser Lösung arbeiten wir bereits

Gruppenporträt-die-Gäste-des-Symposium-zur-Xenotransplantation

Die Gäste des Symposium zur Xenotransplantation
(v.l.n.r.) 1. Reihe: Prof. Robert Rieben (exp. Chirurg Bern), Dr. Tanja Mayr (Konsortium Xenotransplantation München), ­Dr. Andrea Bähr (exp. Kardiologie TU München), Elke Reichart, Dr. Daniel Reichart (Kardiologie UKE Hamburg), Prof. Bruno Reichart, Dr. Raffaela Schwarzkopf-Ehrl (Leiterin Juristisches Referat LMU), Prof. Paolo Brenner (Herzchirurgie LMU), Prof. Ernst-Ludwig Winnacker (Genzentrum LMU)
2. Reihe: Dr. Ralf Tönnjes (Paul-Ehrlich-Institut Langen), Prof. Michael Schmöckel (Herzchirurgie Asklepius Hamburg), Prof. Bernd Kemkes (ehem. Herzchirurgie München-Bogenhausen), PD Peter Lamm (Herzchirurgie Artemed München), Dorothea Marquardt (Konsortium Xenotransplantation München), Prof. Reinhard Hickel (Dekan med. Fakultät LMU), Prof. Klaus Peter (Alt-Dekan med. Fakultät LMU), Dr. Rabea Hinkel (exp. Kardiologie TU München), Prof. Bruno Meiser (Leiter Transplantationszentrum LMU)
3. Reihe: Dr. Matthias Längin (Anästhesie LMU), Prof. Ralf Sodian (MediClin Herzzentrum Lahr/Baden), Prof. Christian Hagl (Herzchirurgie LMU), Prof. Theodor Fischlein (Herzchirurgie Nürnberg), Dr. Joachim Denner (Robert-Koch-Institut Berlin), Angelika Schmid (München), Prof. Karl Jauch (Ärztlicher Direktor LMU), Dr. Jan Abicht (Anästhesie LMU), Dr. Peter Murray (Max-Planck-Institut Martinsried)
4. Reihe: Prof. Bernd Zwissler (Anästhesie LMU), Prof. Peter Überfuhr (ehem. Herzchirurg LMU), Dr. Ferdinand Vogt (Herzchirurgie Nürnberg), Prof. Jochen Seissler (Med. IV LMU), PD Sebastian Michl (Herzchirurgie LMU), Prof. Angelika Schnieke (Lehrstuhl Biotechnologie der Nutztiere TUM), PD Gerd Juchem (Herzchirurgie LMU), Prof. Reinhard Schwinzer (Transplantationsimmunologie Hannover), Prof. Eckhard Wolf (molekulare Tierzucht und Biotechnologie am Genzentrum München)
5. Reihe: Toni Schmid (Bayerisches Kultusministerium), Prof. Alex Kind (Biotechnologie der Nutztiere TUM), Dr. Christian Epp (Dekanat med. Fakultät LMU)
Letzte Reihe: PD Nick Klymiouk (molekulare Tierzucht und Biotechnologie am Genzentrum München), Prof. Jörg Seebach (Klinik für Immunologie und Allergologie, Universität Genf)

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