„Karamell-Rezeptor“ gefunden

Die Forschungsergebnisse des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie (LSB) tragen zum besseren Verständnis der molekularen Codierung von Lebensmittelaromen bei

Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie Forscher - Karamell-Rezeptor

Wissenschaftler im Labor von Herrn PD Dr. Krautwurst

„Das von uns entwickelte Testsystem ist weltweit einzigartig. Wir haben die Testzellen genetisch so verändert, dass sie wie kleine Biosensoren für Geruchsstoffe fungieren. Dabei legen wir genau fest, welchen Geruchsrezeptortyp sie auf ihrer Zelloberfläche präsentieren. Auf diese Weise können wir gezielt untersuchen, welcher Rezeptor wie stark auf welchen Geruchsstoff reagiert.“

PD Dr. Dietmar Krautwurst
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB)

Zieht der Duft von Karamell durchs Haus, kann kaum jemand widerstehen – nahezu jeder liebt und kennt diesen süßen, leicht angebrannten Geruch. Bislang unbekannt: der passende Geruchsrezeptor, der diesen Sinneseindruck vermittelt. Am Freitag, 12. Oktober 2021, hat das LSB an der Technischen Universität München nun bekannt gegeben, dass das Forschungsteam um PD Dr. Dietmar Krautwurst den so genannten „Karamell-Rezeptor“ gefunden hat.

Furaneol-Rezeptor bislang unbekannt
Beim Verzehr von Lebensmitteln werden chemische Geruchscodes in olfaktorische Reizmuster übertragen. Hierfür müssen Schlüsselgeruchsstoffe – wie in diesem Fall das Furaneol – mit einem oder mehreren der 400 Geruchsrezeptoren in der Nase zusammenarbeiten. Furaneol kommt als natürlicher Geruchsstoff nicht nur in Brot oder Kaffee vor, er verleiht auch vielen Früchten wie Erdbeeren oder Ananas einen speziellen karamellartigen Duft. Auch in der Lebensmittelproduktion kommt die Substanz zum Einsatz. Über welchen Geruchsrezeptortypen der Karamell-Duftstoff Furaneol mit der chemischen Bezeichnung 4-Hydroxy-2,5-dimethyl-3(2H)-furanon (HDMF) vom Menschen wahrgenommen wird, war bis dato unbekannt. Dies gilt für 80 Prozent der menschlichen Geruchsrezeptortypen, für die bislang trotz intensiver Forschungsbemühungen das Duftstoffspektrum nicht identifiziert ist.

Gezielte Überprüfung menschlicher Geruchsrezeptoren
Das Team um PD Dr. Dietmar Krautwurst verwendet für seine Forschung eine Sammlung aller menschlichen Geruchsrezeptorgene und ihrer häufigsten genetischen Varianten, um ihre Funktion anhand eines Testzellsystems zu entschlüsseln. In ihrer aktuellen Studie überprüften die Forschenden insgesamt 391 menschliche Geruchsrezeptortypen sowie 225 ihrer häufigsten Varianten. Laut Dr. Krautwurst ist ihr entwickeltes Testsystem weltweit einzigartig: Die Testzellen wurden genetisch so verändert, dass sie wie kleine Biosensoren für Geruchsstoffe funktionieren. So konnten sie gezielt analysieren, welcher Rezeptor auf welchen Geruchsstoff in welcher Stärke reagiert.

Rezeptor OR5M3 mit spezifischem Erkennungsspektrum
Laut Dr. Franziska Haag, Erstautorin der Studie, zeigen die Studienergebnisse, dass das Furaneol nur den Geruchsrezeptor OR5M3 aktiviert. „Dabei reichen bereits ein tausendstel Gramm des Geruchsstoffs pro Liter aus, um ein Signal zu erzeugen“, erklärt Dr. Haag. Um herauszufinden, ob der Rezeptor noch auf weitere Geruchsstoffe reagiert, analysierten die Forscher:innen vom LSB weitere 186 sogenannte Schlüsselgeruchsstoffe von Lebensmitteln. Sie fanden nur einen weiteren: Homofuraneol, der ebenfalls für ein karamellartiges Aroma verantwortlich ist, u.a. bei Früchten wie Durian (Zibetfrucht).

Dr. Dietmar Krautwurst kommentiert die Ergebnisse folgendermaßen: “Wir gehen davon aus, dass der von uns identifizierte Rezeptor OR5M3 ein sehr spezifisches Erkennungsspektrum für Lebensmittelinhaltsstoffe besitzt, die karamellartig riechen.“ Dieses Wissen könne man sich in Zukunft zu Nutze machen, um neue Biotechnologien zu entwickeln, mit denen sich die sensorische Qualität entsprechender Lebensmittel entlang der gesamten Wertschöpfungskette schnell und einfach überprüfen lässt, so der Molekularbiologe. „Auch zukünftig wollen wir am Institut unsere umfangreiche Geruchsstoff- und Rezeptorsammlungen nutzen, um dazu beizutragen, die molekularen Grundlagen der menschlichen Geruchswahrnehmung aufzuklären. Denn diese beeinflusst unsere Nahrungsauswahl maßgeblich und damit unsere Gesundheit,“ ergänzt Prof. Dr. Veronika Somoza, Direktorin des Leibniz-Instituts abschließend.