Neueste Entwicklung in der Bioanalytik: Vereinfachte Herstellung von RNA-Chips

In einer gemeinsamen Pressemitteilung berichten die Universität Wien/Fakultät für Chemie und das Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB) mit Sitz am IZB in Weihenstephan über die vereinfachte Herstellung von RNA-Chips, einen wichtigen Fortschritt in der Bioanalytik. RNA-Chips können der Erforschung neuer Methoden zur Diagnose und Behandlung von Erkrankungen wie Krebs dienen.

Farbiger genetischer Code Struktur der DNA-Moleküle

Farbiger genetischer Code Struktur der DNA-Moleküle

„Das Herausragende ist, dass die von uns entwickelte Herstellungsmethode allein auf kommerziell erhältlichen Materialien und Reagenzien basiert. Eine spezialisierte Laborausstattung ist nicht nötig. Dies ermöglicht nun Forschenden unterschiedlichster Disziplinen selbst RNA-Microarrays herzustellen, die genau auf ihre wissenschaftlichen Fragestellungen zugeschnitten sind.“

Erika Schaudy
Erstautorin der Publikation und Wissenschaftlerin am Institut für Anorganische Chemie der Universität Wien

Biochips (Microarrays) sind moderne Analysewerkzeuge, die es erlauben, in einer geringen Menge von Probenmaterial gleichzeitig tausende von Einzelnachweisen durchzuführen. Ein Team um Mark Somoza von der Fakultät für Chemie der Universität Wien hat Ende Juli eine neue Methode in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ vorgestellt. Mit dieser lassen sich kommerziell erhältliche DNA-Chips schnell und einfach in sonst deutlich schwerer herzustellende RNA-Chips umwandeln. Solche RNA-Microarrays tragen dazu bei, die noch unbekannten Funktionen von RNA-Molekülen in Zellen zu ergründen − eine wichtige Voraussetzung, um die Diagnose und Behandlung von Krankheiten wie Krebs voranzutreiben.

DNA und RNA sind Nukleinsäuren; ihre wohl bekanntesten Aufgaben in unseren Zellen sind die Langzeitspeicherung der Erbinformation in Form von DNA, sowie RNA als Zwischenprodukt der Biosynthese von Proteinen. Kommerziell erhältliche DNA-Microarrays dienen standardmäßig dazu, Genomanalysen im Hochdurchsatz durchzuführen. Sie finden zum Beispiel regelmäßig Anwendung in der Diagnostik von verschiedenen Erbkrankheiten und Krebs. Sie bestehen aus einem festen Träger, beispielsweise einer kleinen Glasplatte, auf der eine große Anzahl verschiedener DNA-Moleküle gebunden ist. Die Besonderheit liegt einerseits darin, dass für jede dieser Varianten ihre exakte Position auf der Oberfläche bekannt ist. Andererseits können sie extrem dicht gepackt sein, sodass hunderttausende von unterschiedlichen DNA-Strängen auf der Fläche eines Daumennagels Platz finden.

RNA-Chip-Produktion bislang aufwendig
Die kommerzielle Produktion von DNA-Chips basiert auf der schrittweisen Verkettung einzelner DNA-Bausteine. Obwohl diese Herstellungsmethode längst etabliert ist, lässt sie sich nur bedingt auf die Synthese von RNA-Microarrays übertragen. Denn RNA-Moleküle sind deutlich instabiler. Ebenso binden die einzelnen RNA-Bausteine beim Aufbau des RNA-Strangs mit einer geringeren Effizienz aneinander als ihre DNA-Äquivalente. Dieser Effekt limitiert die mögliche Länge des RNA-Strangs. „Um insbesondere die noch unbekannten Aufgaben von zellulären RNA-Molekülen zu untersuchen, sind jedoch Chips mit deutlich längeren RNA-Strängen erforderlich, als sie bisher mit der chemischen Synthese von RNA-Microarrays erreichbar waren. Unsere neue Methode löst nun dieses Problem“, erklärt Erstautorin Erika Schaudy, Jungwissenschaftlerin in der Gruppe von Mark Somoza am Institut für Anorganische Chemie der Universität Wien.

Farbiger Genetischer Code Struktur Der DNA Moleküle

Mit freiem Auge kaum sichtbar: Im Zentrum dieser Glasplatte sind mehr als 300.000 unterschiedliche RNA-Moleküle gebunden, hier aufgeteilt in vier örtlich voneinander getrennte Abschnitte.

Gezielter Einsatz von Enzymen macht’s möglich
Wie das Wiener Forschungsteam nun zeigt, lassen sich die auf kommerziellen Chips vorhandenen DNA-Sequenzen durch den gezielten Einsatz von Enzymen längenunabhängig in ihre komplementären RNA-Stränge umschreiben. Weitere Enzyme bauen dann die DNA-Vorlagen selektiv ab, so dass schließlich ein RNA-Chip entsteht.

„Das Herausragende ist, dass die von uns entwickelte Herstellungsmethode allein auf kommerziell erhältlichen Materialien und Reagenzien basiert. Eine spezialisierte Laborausstattung ist nicht nötig. Dies ermöglicht nun Forschenden unterschiedlichster Disziplinen selbst RNA-Microarrays herzustellen, die genau auf ihre wissenschaftlichen Fragestellungen zugeschnitten sind“, freut sich Erika Schaudy.

Mark Somoza, der auch eine Arbeitsgruppe am Freisinger Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München leitet, ergänzt: „Wir haben mit dieser schnellen und einfach durchzuführenden Methodik zudem eine wichtige Grundlage für weitere Anwendungsmöglichkeiten geschaffen. So könnte die RNA-Technologie zum Beispiel ebenso dabei helfen, den Einfluss von Lebensmittelinhaltstoffen auf zelluläre Prozesse und damit die menschliche Gesundheit zu untersuchen.“

Erstautorin Erika Schaudy vom Institut für Anorganische Chemie an der Fakultät für Chemie der Universität Wien war eine von 14 ausgewählten Jungwissenschafter*innen, die ihre Forschung im Rahmen der „Next Gen Science Session“ bei der jüngst zu Ende gegangenen Lindauer Nobelpreisträgertagung 2022 vorstellen konnte. Ihr Vortrag vom 27. Juni mit dem Titel „Light-Directed Synthesis of Complex Nucleic Acid Libraries“ kann hier nachgeschaut werden: Video – Next Gen Science (2022) : Presentations by young scientists (lindau-nobel.org)

Publikation: Schaudy, E., Hölz, K., Lietard, J. & Somoza M.M. (2022). Simple synthesis of massively parallel RNA microarrays via enzymatic conversion from DNA microarrays. Nat Commun 13, 3772. 10.1038/s41467-022-31370-9. https://www.nature.com/articles/s41467-022-31370-9

Die frei verfügbare Publikation ist ebenfalls gelistet bei den „Editor Highlights“ von Nature Communications: https://www.nature.com/collections/idhhgedgig