Leibniz-Institut in Freising identifiziert neue Biomarker für den Kaffeekonsum

Die potenziellen Biomarker könnten dabei helfen, den Gesundheitswert von Kaffee zukünftig noch verlässlicher zu bestimmen

Leibnitz Institut Biomarker Kaffeekonsum

Kardiogramm und Herz ausgelegte Kaffeebohnen mit einer Tasse Kaffee

„Lebensmittelspezifische Biomarker sind wichtige Werkzeuge, um die gesundheitlichen Wirkungen von Nahrungsmitteln zu erforschen.“

Prof. Dr. Veronika Somoza, Direktorin des Freisinger Leibniz-Instituts

Auf der Suche nach neuen Biomarkern für Ernährungs- und Gesundheitsstudien, hat ein Forschungsteam vom Leibniz-Institut für Lebensmittel- Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB) drei Stoffwechselprodukte identifiziert und strukturell charakterisiert, die als spezifische Marker für den individuellen Kaffeekonsum in Frage kämen. Es handelt sich um Abbauprodukte einer Substanzgruppe, die bei der Kaffeeröstung in größeren Mengen entsteht, sonst aber nur selten in anderen Nahrungsmitteln vorkommt. Dies und die Tatsache, dass sich die potenziellen Biomarker bereits in sehr geringen Urinmengen nachweisen lassen, machen sie für künftige Humanstudien interessant.

Mit rund 168 Litern pro Jahr und Person ist Kaffee laut Statista das mit Abstand beliebteste Heißgetränk Deutschlands. Dabei ist es nicht nur ein Genussmittel, sondern weist auch gesundheitlich positive Eigenschaften auf. So sprechen zahlreiche Beobachtungsstudien dafür, dass ein moderater Kaffeekonsum mit einem verminderten Risiko für Alterszucker oder Lebererkrankungen assoziiert ist.

Biomarker statt Selbstauskunft
Hinsichtlich der getrunkenen Kaffeemengen sind solche Beobachtungsstudien jedoch auf die Selbstauskünfte der Teilnehmenden angewiesen, die schwer zu überprüfen sind. „Ergänzende Untersuchungen wären daher wünschenswert, bei denen sich der Kaffeekonsum objektiv anhand von Biomarkern überprüfen ließe, um den Gesundheitswert von Kaffee noch verlässlicher bestimmen zu können“, sagt Dr. Roman Lang, der am LSB die Arbeitsgruppe Biosystems Chemistry & Human Metabolism leitet.

Obwohl frühere Studien bereits auf Biomarker-Kandidaten hingewiesen hatten, waren die Forschungsarbeiten hierzu jahrelang ins Stocken geraten. Bei den ehemals nachgewiesenen Substanzen handelte es sich um Stoffwechsel-Zwischen- oder Abbauprodukte (Metaboliten) verschiedener Kaffeeinhaltsstoffe, deren Urin-Konzentrationen stark mit der Höhe des Kaffeekonsums korrelierten. Den Forschenden war es damals jedoch nicht gelungen, die molekulare Struktur der Metaboliten eindeutig zu identifizieren.

Einsatz analytischer Hochleistungstechnologien
Daher untersuchte das Team um Dr. Roman Lang im Rahmen einer Pilotstudie die Urinproben von sechs Personen, nachdem sie drei Stunden zuvor 400 ml Kaffee konsumiert hatten. Mit Hilfe analytischer Hochleistungstechnologien sowie unter Zuhilfenahme selbst hergestellter Referenzsubstanzen ist es dem Team gelungen, drei infrage kommende Biomarker-Kandidaten im Urin zu identifizieren und erstmals deren chemische Struktur eindeutig zu bestimmen. Bei diesen handelt es sich um ein Glucuronsäure-Konjugat von Atractyligenin, dessen Glykoside in relativ hohen Konzentrationen in Kaffeegetränken enthalten sind, sowie zwei Glucuronsäure-Derivate eines Atractyligenin-Oxidationsproduktes.

„Unsere Erkenntnisse tragen dazu bei, die Biomarkerforschung voranzubringen“, sagt Dr. Roman Lang. Es müssten nun Dosis-Wirkungs-Studien, Studien zur Pharmakokinetik sowie Humanstudien mit deutlich größeren Probandenzahlen folgen, um die Biomarker-Tauglichkeit der identifizierten Substanzen zu prüfen, so der Wissenschaftler weiter. Prof. Dr. Veronika Somoza, Direktorin des Freisinger Leibniz-Instituts ergänzt: „Lebensmittelspezifische Biomarker sind wichtige Werkzeuge, um die gesundheitlichen Wirkungen von Nahrungsmitteln zu erforschen. Daher ist ein Teil unserer wissenschaftlichen Arbeiten am LSB auch auf die Suche nach Biomarkern für den Lebensmittelkonsum ausgerichtet.“

Hintergrundinformation:

Funktion von Glucuronsäure-Konjugaten
Im menschlichen Stoffwechsel dient Glucuronsäure insbesondere der sogenannten „Entgiftung“ von unpolaren Substanzen. Zu letzteren zählen zum Beispiel aufgenommene Arznei- oder Pflanzenstoffe, aber auch körpereigene Steroidhormone. Der Körper wandelt die Stoffe in der Leber durch die Bindung an Glucuronsäure zu Glucuroniden um. Diese Glucuronsäure-Konjugate sind deutlich wasserlöslicher als die Ursprungsstoffe und lassen sich so leicht über die Nieren mit dem Urin ausscheiden.

Informationen zum Institut:
Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB) besitzt ein einzigartiges Forschungsprofil an der Schnittstelle zwischen Lebensmittelchemie & Biologie, Chemosensoren & Technologie sowie Bioinformatik & Maschinelles Lernen. Weit über die bisherige Kerndisziplin der klassischen Lebensmittelchemie hinausgewachsen, leitet das Institut die Entwicklung einer Systembiologie der Lebensmittel ein. Sein Ziel ist es, neue Ansätze für die nachhaltige Produktion ausreichender Mengen an Lebensmitteln zu entwickeln, deren Inhaltsstoff- und Funktionsprofile an den gesundheitlichen und nutritiven Bedürfnissen, aber auch den Präferenzen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichtet sind. Hierzu erforscht es die komplexen Netzwerke sensorisch relevanter Lebensmittelinhaltsstoffe entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit dem Fokus, deren physiologische Wirkungen systemisch verständlich und langfristig vorhersagbar zu machen.

Das Leibniz-Institut ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 97 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.