Wir entziehen dem Tumor die Tarnung

Neues Verfahren von Rigontec in der Immunonkologie

Über Millionen von Jahren hat der Körper einen natürlichen Abwehrmechanismus aufgebaut. Sollte er durch Viren oder Bakterien infiziert werden, reagiert das Immunsystem sofort mit einer Antwort. Diesen Mechanismus nutzen wir für die Therapie von Tumorerkrankungen, indem wir dem Immunsystem „vorgaukeln“, dass Gefahr droht. Damit verwandeln wir sogenannte „kalte“ Tumore, die vom Immunsystem nicht erkannt werden, in „heiße“ Tumore und können diese bekämpfen. Durch diese Technologie wird eine neue Generation von Immuntherapien zur Behandlung von Krebs und Infektionserkrankungen ermöglicht. Rigontec hat bisher knapp 30 Millionen Euro an Finanzmitteln erhalten. Dr. Christian Schetter, Geschäftsführer der Rigontec GmbH, erläuterte Susanne Simon die neue Technik und die Vision des Unternehmens.

Animiertes-Röntgenbild-eines-Lungenkarzinoms-Rigontec

im Dialog: Herr Dr. Schetter, wie funktioniert Ihre neue Technologie in der Immunonkologie?
Dr. Schetter: Rigontec hat einen neuartigen Weg gefunden, die körpereigene Abwehr – das Immunsystem – gegen todbringende Tumore in Stellung zu bringen. Vereinfacht gesagt, verstecken sich Tumore vor dem Immunsystem. Durch Aktivieren des RIG-I Immunrezeptors machen wir die besonderen Strukturen des Tumors für das Immunsystem wieder sichtbar. In der Folge werden Krebszellen im gesamten Körper bekämpft und „Gedächtniszellen“ vermitteln sogar einen langfristigen Schutz. In vielen Tiermodellen hat unsere Technologie schon erfolgreich funktioniert und das sogar als Monotherapie, also ohne Kombination mit anderen Therapien.

im Dialog: Der Begriff Krebs-Immuntherapie wird derzeit von vielen Pharma- und Biotech-Unternehmen erprobt. Was machen Sie besser als Ihre Wettbewerber?
Dr. Schetter: Es gibt etliche Ansätze, das angeborene Immunsystem auszunutzen. Wir haben nun einen Weg gefunden, ganz selektiv nur den biochemischen Signalweg namens RIG-I anzuschalten, der das Ankurbeln der Immunantwort sehr viel einfacher macht. Wird RIG-I aktiviert, führt dies zudem ausschließlich bei Krebszellen zum Absterben, wodurch viele Bestandteile frei werden, die das Immunsystem nun als Such- und Fahndungsbild nutzen kann. Dadurch werden Tumorzellen im gesamten Körper bekämpft. Bei anderen Methoden müssen diese Suchbilder oft im Wirkstoff mitgeliefert werden.

im Dialog: Sie haben 29,25 Millionen Euro an Finanzmitteln eingeworben. Wie geht es nun weiter?
Dr. Schetter: Unser Konzept erweckt großes Interesse. Wir konnten Wellington Partners, Boehringer Ingelheim Venture Fund, NRW.BANK, den High-Tech Gründerfonds (HTGF), Forbion Capital Partners, Sunstone Capital und MP Healthcare Venture Management als Investoren gewinnen. Um global insbesondere gegenüber US-Firmen kompetitiv zu sein, benötigen wir dieses Kapital, denn der Eintritt in die klinische Entwicklung ist teuer. Kürzlich haben wir mit der ersten klinischen Studie an Menschen begonnen und erwarten in den nächsten 12 – 24 Monaten Daten über Dosis und Verträglichkeit. Wir streben zudem den Beleg des Wirkmechanismus im Menschen an und natürlich sind wir vorbereitet, auch einzelne Hinweise auf einen möglichen Therapieerfolg zu sehen. Die klinischen Studien führen wir in renommierten onkologischen Zentren in UK, Deutschland, Frankreich und Spanien durch. Eine Erweiterung in die USA ist angedacht. Bei entsprechendem Verlauf könnten bereits 2019 zulassungsrelevante Studien beginnen.

Portrait-Dr.-Christian-Schetter
© Rigontec
 „Rigontec hat einen neu­artigen Weg gefunden, die körper­eigene Abwehr – das Immunsystem – gegen todbringende Tumore in Stellung zu bringen.“

Dr. Christian Schetter, Vorsitzender der Geschäftsführer der Rigontec GmbH

im Dialog: Wer hat Rigontec gegründet?
Dr. Schetter: Rigontec wurde Ende 2013 als Spin-out des Instituts für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie am Universitätsklinikum Bonn ins Leben gerufen. Einer der wissenschaftlichen Gründer, Prof. Gunther Hartmann, ist ein international hoch angesehener Spitzenforscher im Bereich der angeborenen Immunerkennung von viralen Nukleinsäuresequenzen (RNA-Immunosensing). Zusammen mit Prof. Veit Hornung und seinem Team entdeckte er 3pRNA (5‘-Triphosphat RNA) als Ligand für RIG-I. Die Firma hatte ihren Sitz erst in Bonn, Ende 2016 ist sie nun nahezu komplett ins Innovations- und Gründerzentrum für Biotechnologie (IZB) auf dem Campus Martinsried umgezogen.

im Dialog: Was bedeutet der Standort hier hier in Martinsried bei München für Sie?
Dr. Schetter: München ist einer der wichtigen Biotech-Standorte weltweit. Das IZB bündelt viele Biotech Firmen, liegt inmitten der Max-Plack-Institute und vielen weiteren Instituten der LMU. Das Netzwerk ist hier fantastisch. Und nicht zuletzt der neue Faculty Club G2B (Gateway to Biotech) dient dem Austausch mit allen Spitzenforschern des gesamten Campus Martinsried/Großhadern. Bei Sitzungen des Aufsichtsrates sind alle vom Ambiente des IZB Campus sehr begeistert.

im Dialog: Wo sitzt Ihr wissenschaftlicher Beirat?
Dr. Schetter: Durch unser internationales Board haben wir eine gute Sicht auf die globale Szene. Chairman unseres Supervisory Boards ist der in Dänemark ansässige US-Amerikaner Dr. Don de Bethizy, früherer CEO von Santaris Pharma. Das Unternehmen wurde 2014 für USD 450 Millionen von Roche Pharma erworben. Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates ist Dr. Jim Barsoum, der in Cambridge tätig ist und früher unter anderem CSO von Rana Therapeutics war.

Gefrorene-Ampulle-RGT-100

Rigontecs erster Wirkstoffkandidat RGT100 aktiviert spezifisch RIG-I, einen Rezeptor des angeborenen Immunsystems, um eine effektive Immunsystem-Antwort gegen Krebs­zellen zu erzeugen.

im Dialog: Welche Strategie verfolgen Sie mit der Eröffnung eines Standortes in Cambridge?
Dr. Schetter: Um global agieren zu können, ist es wichtig, in internationalen Netzwerken sichtbar zu sein. Der Standort in Cambridge/Boston, USA, ist der wichtigste Hub in der Biotechbranche. Deshalb haben wir dort die Rigontec Inc. gegründet. Der German Accelerator Life Science hat uns bei der Gründung dort unterstützt. In Cambridge sitzen viele der wichtigen Pharma- und Biotechunternehmen und sind oft auf kurzem Weg zu erreichen. Große Venture Capital-Unternehmen, akademische Institute wie das berühmte Harvard oder MIT, verbunden mit dem Spirit der Entrepreneure, prägen dort den Standort.

im Dialog: Sie haben Biologie studiert und sind nun erfolgreicher Manager eines Biotech-Unternehmens. Wie macht man das?
Dr. Schetter: Da ist durchaus viel Zufall dabei und ein gewisser Hang dazu, auch verrückte Sachen zu machen. Nach dem Biologiestudium habe ich in Köln am Institut für Genetik promoviert, war dann jeweils 2 Jahre am Scripps Research Institut in San Diego und am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried. 1998 bin ich dann als erster Mitarbeiter zu Coley Pharmaceutical gekommen und habe schon kurz darauf zum ersten Mal Managementaufgaben übernommen. Von 2008 bis 2014 übernahm ich die Geschäftsführung von Fresenius Biotech (später Neovii Biotech) und stieg im Januar 2015 bei Rigontec ein. Die Managementerfahrungen, auch bezüglich der Vermarktung von Produkten und des Verkaufs von Unternehmen, helfen mir jetzt ganz enorm.

im Dialog: Es sieht danach aus, dass Sie das Unternehmen bald verkaufen können. Was machen Sie danach?
Dr. Schetter: Man verkauft keine Firma, man wird gekauft. Selbstverständlich haben wir guten Kontakt zur Pharmaindustrie. Wichtigste Voraussetzung ist aber immer, die eigene Strategie Schritt für Schritt in Forschung und Entwicklung erfolgreich umzusetzen. Das ist unser aktueller Fokus. Ein weiteres Feld, das wir bereits bearbeiten, sind die Infektionskrankheiten. Auch hier bauen wir aktuell die Pipeline aus.