Die ibidi GmbH hat die Zellen im Fokus

Vom TUM-Spin-off zum Weltmarktführer für Lebendzellanalytik

Das Wissen über das komplexe Verhalten von Zellen ist wichtig für die Erforschung von Autoimmunerkrankungen oder Krebs. Die ibidi GmbH, ein im Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB) ansässiges Unternehmen, ist weltweit führender Anbieter von funktionalen, zellbasierten Assays und Produkten für die Zellmikroskopie. Sie wurde 2001 von den Biophysikern Dr. Valentin Kahl, Dr. Roman Zantl, ­Dr. Ulf Rädler und Prof. Dr. Joachim Rädler als Ausgründung der TU München und der LMU (CeNS – Center for Nano­Science) gegründet. ibidis Objektträger, die die Bedingungen im menschlichen Körper simulieren, schaffen ein organnahes Umfeld für die Forschung. Mit den aus der Lebendzellanalytik gewonnenen Erkenntnissen hilft das Unternehmen, die Effizienz von Medikamenten zu analysieren und Therapien zu verbessern. Die Technologie­entwicklung bei ibidi wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt. Zudem war ibidi Teilnehmer des Bayerischen Technologie­förderungsprogramms. ibidi zog 2006 in das Innovations- und Gründerzentrum für Biotechnologie ein. Bereits 2010 wurde ibidi vom Unternehmen Deloitte auf Platz vier der 50 schnell wachsenden Unternehmen Deutschlands gewählt. 2013 erhielt das Start-up für seine Zellbiochips aus Hochleistungspolymeren den Innovationspreis der deutschen Wirtschaft in der Kategorie „Mittelständisches Unternehmen“. „Einen Beitrag zur effizienteren Entwicklung von Krebsmedikamenten mittels verbesserter Werkzeuge zu liefern, ist unser Ansporn“, erklären Dr. Valentin Kahl, Geschäftsführer der ibidi GmbH, und Dr. Roman Zantl, Geschäftsführer und Leiter Forschung & Entwicklung des Biotech-Unter­nehmens. Susanne Simon und Rainer Rutz haben die beiden Pioniere der Zellanalytik für die „IZB im Dialog“ interviewt.

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Dr. Valentin Kahl, Dr. Roman Zantl, Managing Directors, ibidi GmbH (v.l.n.r.)

im Dialog: Wie kamen Sie auf die Idee, Objektträger für die Lebendzellanalytik zu entwickeln?
Ibidi: Wir dachten 2001, dass die ganze Welt mit lebenden Zellen forscht. Dies war jedoch nicht der Fall. 99 Prozent der Wissenschaftler arbeiteten seinerzeit mit fixierten Präparaten, also toten Zellen. So erhielt man damals nur eine Momentaufnahme. Unser Ziel war es jedoch, die Verhaltensweisen von lebenden Zellen zu analysieren.

im Dialog: Für welchen Forschungsbereich ist die Lebendzellmikroskopie wichtig?
Ibidi: Bioengineering war damals, wie auch heute, ein zentrales Thema. Wie bringt man das gewünschte Gen in die Zelle? Und wie hoch ist die Effizienz dieser Transfektion? Mit unseren Produkten können Kunden komplizierte biologische Vorgänge einfacher und reproduzierbarer analysieren. So können diese Ergebnisse direkt in der lebenden Zelle betrachtet werden und sind damit relevanter.

im Dialog: Sie haben als erster Anbieter Objektträger aus Plastik entwickelt. Warum?
Ibidi: Objektträger aus Hochleistungskunststoff statt aus Glas können leichter verarbeitet werden, bestehen aus einem Stück, brechen nicht wie Glas und bergen damit weniger Verletzungsgefahr. Da man im Labor zum Beispiel mit Hepatitis- oder Herpesviren arbeitet, ist das von großem Vorteil.

„Wir bieten in unseren Slides, analog einer Weltraumkapsel, die gleichen Bedingungen wie im menschlichen Körper.“

ibidi

im Dialog: Verhalten sich die Zellen auf Ihrem Objektträger ähnlich wie im Menschen?
Ibidi: Wir bieten in unseren Slides analog einer Weltraumkapsel die gleichen Bedingungen wie im menschlichen Körper. So simulieren wir die Temperatur sowie den entsprechenden CO2- und Sauerstoff-Haushalt. Es spiegelt die in vivo-Bedingungen nicht zu 100 Prozent wider, kommt ihnen aber dennoch sehr nah. Gibt man Medikamente zu ausgewählten Zellen auf einen Objektträger von ibidi, kann man in einem Video festhalten, wie sie sich unter den körpertypischen Bedingungen entwickeln.

im Dialog: Wie groß ist Ihr Unternehmen heute und welche Produktionskapazitäten haben Sie?
Ibidi: Bisher haben wir über fünf Millionen Objektträger verkauft und besitzen 31 Patentfamilien. Monatlich produzieren wir derzeit 40.000 Slides. Mit Stolz können wir auf bisher 15.000 Artikel über ibidi in Fachzeitschriften zurückblicken.

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ibidi Slides und Dishes werden weltweit für zellbasierte Assays und hochauflösende Mikroskopie eingesetzt

ibidi-Hochauflösende Mikroskopie auch in Hochdurchsatzanwendungen

Hochauflösende Mikroskopie auch in Hochdurchsatzanwendungen

im Dialog: Die Immuntherapie wird als große Chance gegen Krebs gesehen. Kommen Ihre Produkte auch hier zum Einsatz?
Ibidi: Ja, wir produzieren unter anderem relevante Werkzeuge für die Immunonkologie. Damit können quantifizierbare Ergebnisse über die Reproduzierbarkeit und Validität in der Immuntherapie gewonnen werden und in die Verbesserung der Therapie einfließen.

im Dialog: Sie werden für diese Forschung mit einem neuen Produkt auf den Markt gehen. Was ist daran so besonders?
Ibidi: ibidi entwickelt gerade einen Objektträger, in dem jede einzelne Tumorzelle in einem Raster regelmäßig angeordnet wird. Im Gegensatz zur herkömmlichen Zellkultur, in der die Zellen völlig ungeordnet sind, lassen sich die Proben so einfacher automatisiert mikroskopieren und analysieren. Dadurch kann man unter dem Mikroskop sehr genau beobachten, wie viele T-Zellen notwendig sind, um eine Tumorzelle zu töten. Unser Ziel ist es, damit die Entwicklung der Immunonkologie zu beschleunigen.

im Dialog: Welche weiteren neuen Entwicklungen sind bei ibidi geplant?
Ibidi: Wir wollen uns vom Produktanbieter zu einem führenden Systemanbieter im Bereich Lebendzellanalytik entwickeln. Alle Prozesse, von der Bereitstellung der Geräteoberflächen, der eingesetzten Zellen über den Workflow bis hin zur Analyse sowie der Dateninterpretation mit einer Software von ibidi, sollen in einem Gerät angeboten werden. Ziel ist die Standardisierung der Prozesse und deren Vereinfachung. Dies bedeutet, dass die Hypothese quantifizierbar getestet werden muss und alle signifikanten Ergebnisse innerhalb einer festgelegten Genauigkeit reproduzierbar sein müssen. Das Konzept des experimentellen Systems ist so aufgebaut, dass damit erzielte Ergebnisse alle Ansprüche an eine wissenschaftliche Forschungsmethode erfüllen.

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Der neue ibidi Time Lapse Reader vereinigt und standardisiert alle Prozesse von den eingesetzten Zellen über den Workflow bis hin zur Datenanalyse in einem Gerät.

im Dialog: Wie sieht Ihre Kundenstruktur aus?
Ibidi: Die Kunden von ibidi arbeiten in wissenschaftlichen Einrichtungen, in der Pharmaindustrie und in der Biotech-Branche. Die Produkte werden weltweit an Kunden verkauft.

im Dialog: Inwieweit hat der gewählte Standort im IZB Ihren Unternehmenserfolg beeinflusst?
Ibidi: Einen besseren Standort können wir uns nicht vorstellen. In den USA wird Martinsried als Marke wahrgenommen, ähnlich wie Harvard oder Cambridge. Wir kooperieren mit vielen Unternehmen hier im IZB und mit den Instituten am Campus. Der enge Kontakt zu den Max-Planck-Instituten und der Ludwig-­Maximilians-Universität beschert uns hervorragende Mitarbeiter. Durch das Biotechcluster BioM erhielten wir eine exzellente Projektförderung. Dr. Zobel, Geschäftsführer des IZB, bringt mit seinen Infrastrukturmaßnahmen den Campus voran und ist immer ein Partner an unserer Seite. Gerade durch die repräsentativen Räume des Faculty Clubs punkten wir bei ausländischen Kooperationspartnern und erhalten durch dieses professionelle Umfeld einen Vertrauensvorsprung.