Pieris entwickelt neue Generation von Medikamenten

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Pieris Pharmaceuticals mit Sitz in Boston, USA und im IZB in Weihenstephan bei München, hat in 2017 bereits zwei große Kooperationen abgeschlossen. Ein erster milliardenschwerer Deal wurde mit dem französischen Pharmaunternehmen Servier in der Immuno-Onkologie abgeschlossen und spülte im Januar eine Vorabzahlung von 30 Millionen EUR in die Kasse. Ein zweiter Milliardendeal mit dem britisch-schwedischen Pharmakonzern AstraZeneca folgte nur vier Monate später. Bereits 45 Millionen US-$ erhielt Pieris hierfür als Vorabzahlung. Das Biotech-Unternehmen, 2001 als Ausgründung der TU München von Prof. Arne Skerra gegründet, erwartet somit den internationalen Durchbruch für ihre Wirkstoffklasse der Antikaline.  Firmenchef Stephen S. Yoder, der seit 2010 das Unternehmen leitet, haben wir zu den aktuellen Entwicklungen des Unternehmens interviewt.

im Dialog: Herr Yoder, Pieris Pharmaceuticals gehört zu den aufstrebenden Sternen am Biotech-Himmel. Können Sie uns Ihre Technologie kurz erläutern?

Yoder: Wir haben natürlich vorkommende Proteine, die Lipokaline, so verändert, dass sie an jedes beliebige Zielmolekül spezifisch binden können und viele andere vorteilhafte Medikamenteneigenschaften aufweisen. Ihre geringe Größe und stabile Struktur unterscheidet sie von therapeutischen Antikörpern und das könnte diverse Vorteile beim Einsatz in der Medizin haben. Pieris und seine Partner können diese Plattform nutzten, um Medikamentenkandidaten gegen ganz unterschiedliche Krankheiten zu entwickeln.

im Dialog: In welchen medizinischen Bereichen findet Ihre Technologie Anwendung und was sind die Vorteile zu herkömmlichen Verfahren?
Yoder: Unser derzeitiger Fokus für unsere eigenen Entwicklungsprojekte liegt auf der Krebs-Immuntherapie und Atemwegserkrankungen, basierend auf unserem stetig wachsenden Verständnis der Biologie des Immunsystems. In der Onkologie kombinieren wir Antikaline mit therapeutischen Antikörpern zu einzigartigen bispezifischen Wirkstoffen. Wir können hier quasi im Baukastensystem ganz unterschiedliche Therapiekonzepte in einem Medikament kombinieren. Im Feld der Atemwegserkrankungen könnten unsere Wirkstoffe zu einer ganz neuen Art von biotechnologischen Medikamenten führen, die über die Lunge verabreicht werden. Außerdem erweitern wir die Anwendbarkeit von Antikalinen in anderen Indikationen durch Partnerschaften und basierend auf unserer wachsenden Erfahrung in der Immunologie.

„In der Onkologie kombinieren wir Antikaline mit therapeutischen Antikörpern zu einzigartigen bispezifischen Wirkstoffen.“

Stephen S. Yoder
Vorstandsvorsitzender, Pieris Pharmaceuticals Inc.

im Dialog: Wer sind Ihre Wettbewerber in dem Markt?
Yoder: Unsere exklusive Patentsituation führt dazu, dass wir die einzige Firma sind, die Antikalin-basierte Medikamente entwickeln kann. Allerdings sehen wir Wettbewerb durch andere Substanzklassen, der von Anwendung zu Anwendung recht unterschiedlich ist. Gerade im Bereich der Krebs-Immuntherapie tummeln sich viele Ansätze und Firmen. Wir sind aber überzeugt, dass wir in unseren beiden Kernanwendungen klar differenzierte und damit im Wettbewerb stark positionierte Ansätze und Produkte verfolgen. Zum Beispiel haben wir eine Führungsposition mit sogenannten Tumor-gerichteten co-stimulatorischen Agonisten aufgebaut, die auf unseren einzigartigen technischen Möglichkeiten zur Herstellung multispezifischer Moleküle basieren. Wir glauben, dass dieser Ansatz eine effektivere Krebs-Immuntherapie über den Erfolg von sogenannten Checkpoint-Inhibitoren hinaus ermöglichen könnte.

im Dialog: Ihre Tochtergesellschaft sitzt noch im IZB in Freising. ­Warum haben Sie den Börsengang von Pieris in den USA durchgeführt und Ihren Haupt-Firmensitz nach Boston ­verlegt?
Yoder: Unser Standort in Freising ist sehr wichtig für uns und viel mehr als eine Tochtergesellschaft. Unser Erfolg beginnt mit unserer Technologie und die gesamte frühe Forschung inklusive dem Design unserer Moleküle findet immer noch in Freising statt und bildet den Motor unserer Firma. Die strategische Entscheidung in die USA zu gehen, war zum einen motiviert durch den leichteren Zugang zum Kapitalmarkt und zum anderen, um in Zukunft aus zwei großen Talentpools und Arbeitsmärkten neue Mitarbeiter rekrutieren zu können. In den USA gibt es einfach mehr erfahrene Fachkräfte für die klinische Entwicklung von biologischen Medikamenten.

„Im Feld der Atemwegserkrankungen können unsere Wirkstoffe zu einer neuen Generation von über die Lunge verabreichbaren biotechnologischen Medikamenten führen.“

Stephen S. Yoder
Vorstandsvorsitzender, Pieris Pharmaceuticals Inc.

im Dialog: Mit Daiichi Sankyo und Sanofi arbeiten Sie seit 2010 bzw. 2011 zusammen. Im Januar 2017 gaben Sie die Kooperation mit Servier bekannt. Bereits im Mai veröffentlichten Sie die Zusammenarbeit mit AstraZeneca. Welche Ziele verfolgen Sie mit diesen hochkarätigen Partnern?
Yoder: Es stimmt, wir haben mittlerweile eine beindruckende Liste an namhaften Partnern, was die breite Anwendbarkeit unserer Antikalin-Technologie unterstreicht. Die beiden jüngst bekanntgegebenen Allianzen mit Servier und AstraZeneca stechen aber deutlich heraus, da sie unsere jeweils größten und wichtigsten Partnerschaften für unsere Kern-Krankheitsbereiche sind, die Krebs-Immuntherapie und Atemwegserkrankungen. Mit AstraZeneca verfolgen wir unser PRS-060-Projekt in Asthma, das noch im Laufe dieses Jahres in die klinische Entwicklung eintreten soll, und bis zu vier weitere Programme. Mit Servier entwickeln wir PRS-332 und ebenfalls bis zu vier weitere Medikamente. Das Entscheidende: Bei etlichen dieser Programme haben wir die Möglichkeit, bis zur Zulassung an der Entwicklung mitzuwirken und das fertige Produkt in den USA alleine oder mit zu vermarkten.

im Dialog: Sie haben Molekularbiologie, Spanisch und Jura in Washington studiert. Können Sie uns einen kurzen Überblick Ihres beruflichen Werdegangs geben?
Yoder: Das stimmt und ich mache noch heute eine ganz gute Paella. Beruflich habe ich nach dem Uni-Abschluss als US-Patentanwalt gearbeitet. Nach Deutschland kam ich dann, um für die Antikörper-Firma Morphosys in Martinsried die Rechtsabteilung zu leiten. Hier war ich am Abschluss zahlreicher Pharma-Partnerschaften beteiligt, nicht zuletzt der 10-jährigen Allianz von Morphosys mit dem Pharmakonzern Novartis. Im Anschluss übernahm ich den Posten des Vorstandsvorsitzenden bei Pieris.

Portrait-Stephen-S.-Yoder

Stephen S. Yoder,
Vorstandsvorsitzender

im Dialog: Wie koordinieren sie die Zusammenarbeit im Management „über den Teich“ hinweg, also zwischen den USA und Deutschland?
Yoder: Wir sind durch und durch ein internationales Team und interagieren auf jeden Fall sehr eng miteinander. Vieles kann man heutzutage über Telefon- und Videokonferenzen erledigen. Aber zugegebenermaßen stehen die Chancen derzeit nicht schlecht, auf dem Direktflug München-Boston einem ­Pieris-Mitarbeiter zu begegnen.

im Dialog: Was sind die nächsten Schritte für Pieris?
Yoder: Zwei Verträge dieser Größenordnung innerhalb einer kurzen Zeitspanne zu unterzeichnen ist nicht alltäglich für eine Organisation unserer Größe und Entwicklungsstufe. Wir freuen uns deshalb darauf, diese strategischen Allianzen mit Leben zu füllen, aber vergessen auch unsere anderen Kooperationspartner nicht, zum Beispiel die ebenso auf Krebs-Immuntherapie fokussierte Partnerschaft mit Roche. Wir werden außerdem unsere komplett eigenständig verfolgten Projekte weiterentwickeln, allen voran PRS-343, ein sehr spannendes Molekül, das als erster Tumor-gerichteter 4-1BB Agonist in der zweiten Jahreshälfte in die klinische Entwicklung in Krebspatienten gehen soll.