Metastasen zeigen im Vergleich zum Primärtumor eine eigene Tumorbiologie

Die SpheroTec GmbH hat in einer neuen Studie gezeigt, dass sich Metastasen in ihrem Therapieansprechen untereinander und vom Primärtumor unterscheiden. Dieses Ergebnis hat Einfluss auf zukünftige Behandlungsstrategien

Eine Krebsdiagnose zu erhalten, ist für alle Menschen ein vernichtendes Urteil. Nach dem ersten Schock fragt man sich: Welche Therapie ist für mich die richtige? Das IZB Start-up SperoTec testet mit seinem innovativen Diagnostikverfahren, dem SpheroTest®, alle verfügbaren Medikamente, um für den individuellen Krebspatienten die wirksamste Therapie zu finden. In einer neuen Studie zeigt die Martinsrieder Biotechfirma, dass Metastasen im Vergleich zu ihrem Primärtumor häufig eine ganz eigene Biologie aufweisen. Dies gilt auch für das Therapieansprechen. Demzufolge muss für jeden Tumor, der im Verlauf einer Krebserkrankung neu diagnostiziert wird, die Wirkstofftestung erneut durchgeführt werden. Susanne Simon hat PD Dr. Barbara Mayer für die IZB im Dialog interviewt.

Dr. Barbara Mayer, CSO und Mitgründerin der SpheroTec GmbH, setzt sich mit viel Engagement für ihre Patienten ein

im Dialog: Welche Therapiemöglichkeiten stehen Tumorpatienten heute zur Verfügung?
Dr. Mayer: Lange Zeit gab es nur die Möglichkeit der Chemotherapie. Diese Medikamente wirken jedoch nicht nur auf die Tumorzellen, sondern auf alle Körperzellen und führen deshalb zu den gefürchteten Nebenwirkungen. Heute stehen zusätzlich sogenannte zielgerichtete Substanzen zur Verfügung, die möglichst nur die Tumorzellen angreifen sollen. Hierzu zählen monoklonale Antikörper und niedermolekulare Hemmstoffe, die beispielsweise gezielt das Wachstum der Tumorzellen blockieren oder den Tumor aushungern. Die neueste Behandlungsmöglichkeit ist die Immuntherapie, die das patienten­eigene Immunsystem gegen den Tumor in Stellung bringt. Gerade bei den innovativen Therapieoptionen gibt es jedes Jahr neue Zulassungsrekorde. Folglich steht für die Krebsbehandlung ein wachsendes Arsenal an Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.

im Dialog: Wie kommt nun SpheroTec ins Spiel? Was testen Sie für die Patienten?
Dr. Mayer: Für jede Tumorart gibt es eine Therapieleitlinie, in der aufgrund der steigenden Anzahl an Zulassungen immer mehr Wirkstoffe für die Behandlung empfohlen werden. Diese Empfehlungen basieren auf den Studienergebnissen bei großen, streng definierten Patientengruppen. Das Ansprechen auf ein bestimmtes Medikament ist jedoch nicht bei jedem Tumor gleich und hängt maßgeblich von den individuellen Tumoreigenschaften ab. Umgekehrt gibt es gerade für Patienten, die wiederholt unter einem Tumorprogress leiden, oft keine Therapieempfehlungen in der Leitlinie mehr. Deshalb hat die SpheroTec GmbH ein Diagnostikverfahren, den SpheroTest® entwickelt, um unter Verwendung einer Tumorprobe alle für den individuellen Krebspatienten relevanten Medikamente vergleichend zu analysieren. So wird für den individuellen Patienten die wirksamste Krebstherapie bereits vor Behandlungsbeginn identifiziert. Für die Durchführung des Testes wird eine lebende Tumorprobe benötigt. Hieraus werden Mikrotumore hergestellt, die dem individuellen Patiententumor in der Tumorbiologie einschließlich des Therapieansprechens sehr ähnlich sind. Diese Miniaturtumore werden in der Zellkulturschale therapiert. Das Testergebnis liegt innerhalb einer Woche vor. Es können alle soliden Krebsarten getestet werden. Bei Blutkrebs macht die 3D-Technologie keinen Sinn, hier testen wir mit einem 2D-Verfahren. Der SpheroTest® ist der einzige zellbasierte Test in Deutschland, der klinisch validiert ist.

„Diese Studie soll zeigen, dass nicht nur Krebspatienten durch den SpheroTest einen Vorteil haben, sondern auch die Krankenkassen dadurch Kosten einsparen.“

Dr. Barbara Mayer, CSO und Mitgründerin der SpheroTec GmbH

im Dialog: Wie viele Medikamente können Sie testen?
Dr. Mayer: Prinzipiell hängt die Anzahl der Medikamente von der Größe und der Qualität der Tumorprobe ab, die uns für den Test zur Verfügung gestellt wird. Basierend auf vier bis fünf Tumorbiopsien lassen sich bis zu 10 Medikamente testen. Stehen uns im Rahmen einer Operation etwa 200 mg Tumorgewebe (das entspricht etwa einem halben Zuckerwürfel) zur Verfügung, dann testen wir bis zu 50 Therapieoptionen. Die Entscheidung, welche Substanzen im SpheroTest® analysiert werden sollen, trifft in der Regel der Therapeut des Patienten.

im Dialog: Sie haben kürzlich eine neue Studie zur Tumorheterogenität abgeschlossen. Was steckt dahinter?
Dr. Mayer: In der SpheroNEO-Studie hatten wir nachgewiesen, dass der SpheroTest® bei Brustkrebs in der neoadjuvanten Situation bei über 90 Prozent der Patientinnen die individuell wirksamste Therapie identifizieren kann. Nach diesem Erfolg wurde eine Studie zur Tumorheterogenität beim Eierstockkrebs durchgeführt. Bei 90 Prozent der Patientinnen liegt bereits bei Erstdiagnose ein fortgeschrittenes Tumorstadium vor. Das heißt: der Tumor ist nicht mehr nur auf die Eierstöcke beschränkt, sondern findet sich überall im Bauchraum. Wir haben gezeigt, dass die verschiedenen Tumorlokalisationen aufgrund einer unterschiedlichen Tumorbiologie ein unterschiedliches Therapieansprechen zeigen.

im Dialog: Sie haben täglich mit todkranken Menschen zu tun. Wie schaffen Sie es, mit dieser enormen Belastung fertig zu werden?
Dr. Mayer: Die Diagnose „Krebs“ stellt das Leben der Patienten und derer Angehörigen auf den Kopf. Von einer Minute auf die andere ändert sich die Perspektive. Die Patienten, die SpheroTec täglich kontaktieren, haben viele Fragen auf dem Herzen: „Welche Medikamente wirken speziell bei mir? Kann der Krebs trotz der Chemotherapie weiter wachsen? Mit welchen Nebenwirkungen muss ich rechnen? Was kann ich unterstützend tun?“. Den Menschen zuzuhören und Alternativen zu diskutieren, ist ein großes Stück Wertigkeit, das man ihnen mit auf den Weg geben kann.

Mikrotumorplatte

Mikrotumorplatte: Unter Verwendung einer Tumorprobe wird das wirksamste Medikament identifiziert

im Dialog: Was sind Ihre nächsten Ziele?
Dr. Mayer: Wir bereiten aktuell eine große klinische Interventionsstudie beim metastasierten Dickdarmkrebs mit über 600 Patienten vor. Im Rahmen dieser Studie wird eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt, die zeigen soll, dass nicht nur der Krebspatient durch den SpheroTest® einen Vorteil hat, sondern auch die Krankenkassen von einer SpheroTest® basierten Therapiesteuerung profitieren. So könnten mehrfach durchgeführte Krebstherapien eingespart werden, die in der Einzelanwendung bis zu 100.000 Euro kosten Das Ziel ist, dass nicht nur die privaten Krankenversicherungen, sondern auch die gesetzlichen Krankenkassen die Testkosten von 2.000 bis 3.000 Euro ohne die heute oft notwendige Einzelfallentscheidung übernehmen. Wir haben in den vielen Gesprächen gelernt, dass die Patienten im Laufe der Krebstherapie häufig auf die Einnahme von Naturstoffen zurückgreifen.. Diese Produkte können den Erfolg einer Krebsbehandlung positiv, aber auch negativ beeinflussen und die Aufnahme des Medikamentes hemmen. Deshalb ist es unser Ziel, die Komplementärmedizin in unsere Analyse miteinzube­ziehen.

im Dialog: Brachte der Standort ihrer Firma im IZB Vorteile?
Dr. Mayer: Für uns gibt es keinen besseren Standort. Das Netzwerk und die Kooperationsmöglichkeit mit dem Klinikum Großhadern, der BioM und den anderen Firmen im IZB sind für uns ein großer Gewinn. Entscheidend, in Notsituationen hatten wir immer die volle Unterstützung und Flexibilität von Herrn Dr. Zobel, dem Geschäftsführer des IZB, so dass wir unsere Labor- und Büroflächen dem Wachstum des Unternehmens anpassen konnten.