Interview mit Dr. Jankowsky, AATec Medical für die „IZB Biotech News“
„Wir möchten das therapeutische Potenzial von AAT für Patienten mit entzündlichen Lungenerkrankungen erschließen“
November 2024
© iStock / mi-viri
AATec entwickelt eine Multi-Produktplattform auf der Basis von rekombinantem Alpha-1 Antitrypsin (AAT) für Patienten mit entzündlichen Atemwegserkrankungen.
AATec Medical adressiert mit der firmeneigenen Produktplattform einen hohen medizinischen Bedarf und ist kürzlich ins IZB gezogen
Das Start-up AATec Medical entwickelt eine Multi-Produktplattform auf der Basis von rekombinantem Alpha-1 Antitrypsin (AAT) für Patienten mit entzündlichen Atemwegserkrankungen. Der Lead-Kandidat ATL-105 hat sein besonderes Wirkprofil bereits in zahlreichen präklinischen Studien bewiesen und soll in einer Proof-of-Concept-Studie bei Patienten mit nicht-CF Bronchiektasen (NCFB) klinisch getestet werden. Ein Gespräch mit dem CEO und Mitgründer Dr. Rüdiger Jankowsky über ein Jahr voller Dynamik, das nächste Fundraising und die Wichtigkeit, sich klar zu definieren.
Herr Dr. Jankowsky, AATec Medical hat kürzlich seinen ersten Geburtstag gefeiert. Wie würden Sie das vergangene Jahr beschreiben?
Es war ein sehr ereignisreiches Jahr. Seit der Geburt von AATec, also dem Abschluss der ersten Finanzierungsrunde und dem technischen Start unserer Aktivitäten, haben wir einiges erreicht. Wir konnten auf der Produktentwicklungsseite maßgebliche Fortschritte machen, sowohl im Hinblick auf die technologische Plattform als auch bei der präklinischen Testung unseres Wirkstoffs bei verschiedenen Krankheiten. Wir haben weiterhin einen wichtigen Schritt in der Konkretisierung unseres klinischen Studienprogramms machen können und uns auf die nicht-zystische Fibrose-Bronchiektasen (NCFB) als erste Indikation festgelegt – eine Indikation mit einem enorm hohen medizinischen Bedarf. Wir konnten in diesem Jahr eine Reihe von Experten in unser Scientific Advisory Board holen, die uns unter anderem bei der Erarbeitung der klinischen Strategie helfen.
Wir betrachten uns als Projektmanagement-Organisation mit entsprechender IP und arbeiten ausschließlich mit Partnern zusammen, die wir nach unseren Kriterien ausgesucht haben, und die uns bei der Entwicklung mit ihrem Expertenwissen unterstützen. Dafür haben wir ein schlankes Team aufgebaut, das unsere Entwicklungsaktivitäten steuert. Insofern war es ein Jahr voller Dynamik, 12 Monate voller Aktivität.
Sie haben die Produktplattform angesprochen. Wie funktioniert Ihr Ansatz und was macht ihn besonders?
Unser Produktansatz basiert auf einer neuen, rekombinanten Form eines humanen Proteins. Das ist das Alpha-1 Antitrypsin (AAT), ein Protein, das im Blut in beträchtlichen Mengen vorkommt. AAT ist ein Serinprotease-Inhibitor mit anti-entzündlichen und anti-infektiösen Eigenschaften. Unser Ansatz ist, dieses rekombinante Alpha-1 Antitrypsin in den Lungen von Patienten verfügbar zu machen. Bei vielen chronisch-entzündlichen Lungenerkrankungen, übrigens auch bei akuten Lungenerkrankungen, gibt es ein Ungleichgewicht zwischen Proteasen und Anti-Proteasen. Wir wissen, dass wir durch die gezielte Zuführung von Alpha-1 Antitrypsin dieses Ungleichgewicht reduzieren und damit diese Krankheiten adressieren können. Das macht AAT sehr interessant als Plattform, denn die gestörte Balance zwischen Proteasen und Anti-Proteasen kommt bei mehreren respiratorischen Erkrankungen vor: bei COPD, bei einer großen Untergruppe von Asthma, beim akuten Lungenversagen, bei Infektionskrankheiten, und auch in unserer ersten Zielindikation, den nicht-CF Bronchiektasen. Wir denken, dass wir mit unserem therapeutischen Protein verschiedenste Erkrankungen adressieren und auf diese Weise zukünftig chronische und akute Lungenerkrankungen effektiv behandeln können.
Wie wird Ihr Protein verabreicht und welche Vorteile hat das gegenüber anderen Verabreichungsformen?
Wir verabreichen unseren Wirkstoff per Inhalation. Zusammen mit unserem Partner Beurer haben wir ein Verneblungsgerät entwickelt, das es ermöglicht, das Protein zu vernebeln und durch Einatmung direkt in die Lunge – an den Ort der Entzündung – zu bringen. So kann man einen schnelleren Wirkungseintritt erwarten als bei einer systemischen Gabe, zum Beispiel über eine Tablette.
Der zweite Punkt ist die Dosis. Bei der Inhalation ist es möglich, mit einer insgesamt niedrigen Gesamtdosis eine hohe Wirkstoffkonzentration in der Lunge zu erreichen. Das ist anders als bei einer systemischen Gabe, bei der man höhere Dosen geben muss, da der Wirkstoff erst über das Blut zum Wirkort reist.
Insofern haben wir bei der Verabreichung per Inhalation eine Kombination von schnellem Wirkeintritt und einer niedrigen Gesamtdosis. Wir gehen momentan von einer Inhalationssitzung pro Tag aus, die maximal 15 Minuten dauert. Das ist sehr komfortabel für die Patienten.
Dr. Rüdiger Jankowsky, CEO und Mitgründer der AATec Medical GmbH
© AATech Medical GmbH (Jankowsky)
Wo stehen Sie mit Ihrem Lead-Programm ATL-105?
Wir konnten mit unserem Wirkstoff bereits die präklinische Machbarkeit zeigen. Wir haben eine große Zahl von Target-Engagement-Studien durchgeführt, wodurch wir wissen, dass unser Wirkstoff seine Targets effektiv inhibieren kann. Wir konnten das auf zellulärer Ebene in einer Vielzahl von Studien nachweisen und sind momentan dabei, die Ergebnisse in einem konfirmatorischen präklinischen Experiment nochmals zu überprüfen. Wir können damit zeigen, dass unser Wirkprinzip funktioniert. Der nächste Schritt ist eine präklinische Studie zur Sicherheit und Verträglichkeit. Wir gehen davon aus, dass wir diese im Laufe des ersten Halbjahres 2025 starten können.
Warum haben Sie sich für die Lead-Indikation nicht-CF Bronchiektasen (NCFB) entschieden?
Nicht-CF steht für nicht-zystische Fibrose, wir grenzen uns also von der zystischen Fibrose ab. Es gibt für unsere Hauptindikation nach derzeitigem Stand mehr als 2 Mio. Patienten in den westlichen Ländern. Wir gehen davon aus, dass in China noch eine deutlich höhere Zahl von Patienten existiert. NCFB ist eine momentan stark unterdiagnostizierte Erkrankung, aber sie ist bereits jetzt eine der größten chronischen Lungenerkrankungen, nach COPD und Asthma. Für die betroffenen Patienten gibt es keine speziell zugelassenen Therapien.
Wir haben aufgrund des Wirkprofils unseres Wirkstoffs einen hervorragenden Ansatzpunkt, diese Krankheit therapeutisch zu adressieren. Es handelt sich bei NCFB um eine entzündliche Erkrankung der Atemwege, die im Wesentlichen durch Proteasen getrieben wird, die in ihrer Aktivität überschießen und chronische Entzündungen verursachen. Diese können durch Alpha-1 Antitrypsin reguliert werden. Zudem wissen wir, dass wir durch die Inhalation mit unserem Wirkstoff die entscheidenden Bereiche der Lunge direkt erreichen können. Das ist eine starke therapeutische Rationale, die wir gemeinsam mit international führenden klinischen Experten erarbeitet haben.
Wie steht es um den Wettbewerb in dieser Indikation?
In diesem Bereich zeigt sich eine sehr interessante Entwicklungsdynamik. Den Anfang macht momentan ein therapeutischer Ansatz, der sich auf die Inhibition von DPP-1 fokussiert. Diese Wirkstoffe greifen ebenfalls in das Protease-Antiprotease-Ungleichgewicht ein, beeinflussen jedoch die Aktivität von Proteasen in einem früheren Stadium während der Reifung von Neutrophilen. Für dieses therapeutische Konzept wurden in diesem Jahr vielversprechende klinische Daten in NCFB veröffentlicht. Das ist ein wichtiger Meilenstein für die Patienten und Ärzte, denn damit wird die Krankheit zum ersten Mal kausativ behandelbar. Aber diese Wirkstoffe haben einen begrenzten therapeutischen Effekt, der nicht ausreichend ist, um Patienten eine schnelle und langfristige Wirkung bieten zu können. Genau hier haben wir Vorteile mit unserem Wirkprinzip. Wir sind zum einen breitbandig aktiv, denn wir haben anti-entzündliche Effekte, anti-proteolytische Wirkung und wir haben auch anti-infektiöse Aktivität. Wir denken, dass wir durch diesen multimodalen Ansatz einen besseren therapeutischen Effekt erzielen können als DPP-1-Inhibitoren.
Unser zweiter Vorteil ist der Zeitpunkt des Wirkeintritts. Dieser ist aufgrund des Wirkprinzips bei DPP-1-Inhibitoren verzögert; die therapeutischen Effekte treten erst nach einigen Monaten ein. Wir kommen mit der inhalativen Verabreichung direkt in die Lunge und gehen davon aus, dass das zu einem schnellen Wirkeintritt führen kann. Diese Vorteile möchten wir in einen klinischen Nutzen übersetzen.
„Wir haben aufgrund des Wirkprofils unseres Wirkstoffs einen hervorragenden Ansatzpunkt, diese Krankheit therapeutisch zu adressieren. Es handelt sich bei NCFB um eine entzündliche Erkrankung der Atemwege, … Zudem wissen wir, dass wir durch die Inhalation mit unserem Wirkstoff die entscheidenden Bereiche der Lunge direkt erreichen können. Das ist eine starke therapeutische Rationale, die wir gemeinsam mit international führenden klinischen Experten erarbeitet haben.“
Sie hatten bereits die klinischen Experten angesprochen. Welche Rolle spielt das Scientific Advisory Board für AATec?
Klinische Experten sind sehr wichtig für unsere Produktentwicklung. Wir sind ein fokussiert produktorientiertes Unternehmen und möchten unser Produkt schnellstmöglich zum Patienten bringen. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, dass man den medizinischen Bedarf klar definiert: dieser äußert sich in Symptomen und ganz konkret in der Lebensqualität der Patienten. Wir wissen, dass wir eine wirksame Therapie nur entwickeln können, wenn wir die klinischen Studien richtig designen. Deswegen spielt es eine wichtige Rolle für uns, sehr erfahrene und international renommierte Experten an Bord zu haben, die uns beim Design der klinischen Studien unterstützen. Wir haben in unserem wissenschaftlichen Beratergremium führende Experten aus den Bereichen Bronchiektasen, COPD, Aerosole sowie Infektiologie. Durch diese klinische Expertise haben wir einen wichtigen Vorteil beim Design der klinischen Entwicklung.
Warum sind respiratorische Erkrankungen aus Ihrer Sicht ein so wichtiges Gebiet?
Aufgrund der Pandemie bringt dieses therapeutische Gebiet eine gewisse Geschichte mit sich. Die Pandemie hat jedoch teilweise vom Thema der chronisch-entzündlichen Lungenerkrankungen abgelenkt, weil es einen Fokus auf Viruserkrankungen der Atemwege gab. Damit trat leider etwas in den Hintergrund, dass es weltweit eine große Anzahl von Patienten gibt, die unter chronisch-entzündlichen Lungenerkrankungen leiden. Das sind Hunderte von Millionen Patienten, wenn ich an COPD und Asthma denke, und das sind viele Millionen mit Bronchiektasen und anderen Erkrankungen. Dieser Bedarf ist mit den derzeitigen therapeutischen Optionen nicht abgedeckt, was faktisch zu einer Unterversorgung dieser Patienten führt. Nicht frei atmen zu können, bringt nicht nur eine Einschränkung der Lebensqualität mit sich, sondern kann auch zu lebensbedrohlichen Situationen führen, an denen pro Jahr Millionen von Patienten versterben. Diesen Punkt möchten wir adressieren, wohlwissend, dass wir uns damit in einem Gebiet befinden, was nicht von vielen Unternehmen bearbeitet wird. Wir denken aber, dass es eine moralische Verpflichtung gibt, Medikamente für diese Patienten bereitzustellen. Dem haben wir uns verschrieben.
Wie ist AATec aktuell finanziert und was sind in dieser Hinsicht die nächsten Schritte?
Unsere Seed-Finanzierung haben wir im Jahr 2023 mit einer Gesamthöhe von circa 2,7 Mio. Euro abgeschlossen. Diese erlaubt uns, die präklinische Entwicklung unseres Produktkandidaten zu finalisieren. Wir sind momentan im Fundraising-Prozess für den Start der klinischen Studien, dazu sind wir mit einer Reihe von Investoren im Gespräch. Wir haben bereits signifikantes Interesse erhalten, was sicher auch an der klaren Produktorientierung unseres Unternehmens liegt. Wir beabsichtigen, diese Finanzierungsrunde, bei der wir eine Höhe von ca. 15 Mio. Euro für die erste klinische Studie und die entsprechenden Vorbereitungen anvisieren, in den nächsten Monaten zu komplettieren und dann die Vorbereitungen der klinischen Studie zu starten.
AATec ist gerade ins IZB gezogen. Was erwarten Sie sich von diesem neuen Standort?
Wir wissen, dass das IZB ein hervorragender Standort für Unternehmen in unserem Stadium und unserer Industrie ist. Das IZB bietet hervorragende Voraussetzungen für Start-ups. Es bietet zum einen günstige Konditionen und zum anderen ein hervorragendes Umfeld mit vielen anderen Firmen. Dadurch ist eine entsprechende Konnektivität gegeben. Wir wissen auch, dass wir durch die vielen unterstützenden Programme seitens des IZB – ich denke hier auch an die vielen Veranstaltungen – aktiv unterstützt werden bei der Partnersuche und auch bei anderen Aktivitäten, die man in unserer Industrie benötigt.
Aus Ihrer langjährigen Erfahrung als CEO verschiedener Life Science Start-ups: Welchen Ratschlag würden Sie jungen Gründern mit auf den Weg geben?
Ich denke, der wichtigste Punkt für ein junges Unternehmen ist, sich so schnell und so seriös wie möglich selbst zu definieren. Damit meine ich: sich selbst zu definieren im Sinne der Zielsetzung, sich klar zu positionieren im Markt, auch gegenüber dem Wettbewerb, und, wenn es möglich ist, Produkte zu definieren. Ich empfehle jedem Start-up, das schnellstmöglich zu tun. Das erlaubt einen klaren Fokus innerhalb des Unternehmens und es erzeugt eine Erkennbarkeit außerhalb des Unternehmens. Auch wenn viele Firmen technologiegetrieben sind, glaube ich daran, dass Produkte und Zielmärkte frühestmöglich definiert werden sollten, je nach Geschäftskonzept. Ich kann aus dem Bereich der pharmazeutischen Entwicklung sprechen und das wiedergeben, was mir im Markt zurückgespiegelt wird: man sollte als Start-up so früh und so klar wie möglich erkennbar sein. Und erkennbar heißt: wofür macht ihr das? Was macht ihr dort? Gibt es dafür einen Bedarf? Dieser Bedarf übersetzt sich später in kommerzielles Potenzial.
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