„Frauen sollen sich mehr zutrauen

Dr. Hella Kohlhof, CSO der Immunic AG, im Interview zu Karriere, Kindern und der Stellung der Frau in der Biotechnologie

Die Immunic AG ist ein junges Biotech-Unternehmen, das aus der 4SC AG hervorgegangen ist. Mit einer Investitionssumme von 22 Millionen Euro entwickelt das Unternehmen Medikamente gegen chronisch entzündliche und Autoimmunerkrankungen. Im Mittelpunkt stehen chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn sowie die auch als Schuppenflechte bekannte Psoriasis. Dr. Hella Kohlhof leitet als CSO die Forschungsaktivitäten des Unternehmens. Sie ist überzeugt, dass Immunic herausragende therapeutische Produkte entwickeln wird, die die Therapiemöglichkeiten für chronisch entzündliche Erkrankungen nachhaltig verbessern werden. Ende 2017 startet die Phase II Studie in der Klinik. Kohlhof geht davon aus, das Unternehmen in drei bis vier Jahren verkaufen zu können. ­Susanne Simon und Rainer Rutz haben ­Dr. Hella Kohlhof für die „IZB im Dialog“ ­interviewt.

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im Dialog: Frau Dr. Kohlhof, können Sie uns kurz erklären, an welchen Themen die Immunic AG arbeitet?
Dr. Kohlhof: Die Immunic AG startete im April 2016 als Ausgründung der 4SC AG mit dem Vorhaben, zielgerichtete pharmazeutische Entwicklungsprojekte bis zum klinischen „Proof of Concept“ zu bringen. Wir arbeiten an oral verfügbaren Medikamenten zur Therapie von Autoimmun- und chronisch entzündlichen ­Erkrankungen. Damit zielen wir auf die Hemmung der Überschussreaktion des Immunsystems ab. Wir entwickeln hier zwei Medikamentenkandidaten. Die erste Substanz (IMU-838) soll gegen besonders schwerwiegende Formen von Darmentzündungen (Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn) eingesetzt werden. Hier entwickeln wir in einer Nische zwischen Cortison- ­und Antikörpertherapie. Die zweite Substanz (IMU-366, mit RORgT als Zielstruktur) richtet sich gegen Autoimmunerkrankungen, wie zum Beispiel die Schuppenflechte. Vom Wirkmechanismus her hat sie aber das Potenzial, auch bei  anderen Autoimmunerkrankungen erfolgreich zu sein.

im Dialog: Welche Ziele verfolgen Sie mit den 22 Millionen, die Sie in den letzten Monaten eingeworben haben?
Dr. Kohlhof: Unser Ziel ist die Weiterentwicklung unserer beiden ­Hauptprodukte IMU-838 und IMU-366 zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen mit hohem medizinischen Bedarf. Mit IMU-838 wollen wir Ende des Jahres in die klinische Phase II gehen. Geplant ist, diese Projekte in circa 3 bis 4 Jahren zu verkaufen. Mit IMU-366 starten wir Mitte 2018 in die Phase I.

im Dialog: Mit welchem Verkaufserfolg rechnen Sie bei IMU-838?
Dr. Kohlhof: Das ist schwer vorherzusagen. Wenn man einen Medikamentenkandidaten entwickelt, ist alles oder nichts drin. Wir können scheitern oder auch 700 Millionen Euro erzielen.

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Portrait-Dr.-Hella-Kohlhof
© Immunic AG
„Traut euch, das zu machen, was ihr wollt und lasst euch auf keinen Fall einschüchtern!“

Dr. Hella Kohlhof
CSO, Immunic AG

im Dialog: Was machen Sie, wenn das Unternehmen verkauft ist? Sie haben derzeit ja einen befristeten Job.
Dr. Kohlhof: Das Managementteam besteht aus sehr erfahrenen, hoch kompetenten und absolut motivierten Wissenschaftlern. Wir werden einfach ein neues Unternehmen hochziehen. Die Ideen gehen uns sicher nicht aus.

im Dialog: Wie kommt man auf einen bestimmten Medikamentenkandidaten?
Dr. Kohlhof: Hier ist die Grundlagenforschung gefragt. Eine Krankheit wird – vereinfacht dargestellt – z. B. von einem Gen, einem Protein oder einem Enzym verursacht. Die Forschung untersucht, welche Substanz dieses Enzym und damit hoffentlich die Krankheit hemmen kann. An diese Testung kann man unterschiedlich herangehen. So testet die Pharmaindustrie Millionen von Substanzen mit Robotern. Die 4SC AG hat einen anderen Ansatz. Hier wurden computerbasiert über eine proprietäre Software aus einer Datenbank mit 3 Millionen Molekülen Substanzen gescreent und daraus die 300 vielversprechendsten Kandidaten im Labor untersucht. Diese Strukturen werden von Medizinalchemikern dann so lange optimiert und von Biologen und Pharmakologen getestet, bis letztendlich die beste Substanz als Medikament für den Menschen entwickelt werden kann und darf.

im Dialog: Wer sind Ihre Hauptinvestoren?
Dr. Kohlhof: Wir haben ein internationales Investorenkonsortium, das vom niederländischen Lead-Investor LSP und dem Co-Lead-Investor LifeCarePartners angeführt wird. Weitere Investoren sind die Bayern Kapital, der High-Tech Gründerfond und der IBG Risikokapitalfonds II GmbH & Co. KG. Aufgrund der Zusammenarbeit mit der IBG aus Sachsen-Anhalt gründeten wir die Immunic Research GmbH in Halle, die wir in Kooperation mit dem Fraun­hofer-Institut IZI betreiben.

im Dialog: Sie sind heute Chief Scientific Officer (CSO) der Immunic AG. Können Sie uns etwas zu Ihrem beruflichen Werdegang sagen?
Dr. Kohlhof: Nach meiner Ausbildung zur Medizinisch-technischen Assistentin in Aachen absolvierte ich ein Biologiestudium in Aachen und München, das ich mit meiner Promotion an der LMU in München abschloss. Ein Auslandssemester verbrachte ich in Göteborg, Schweden. Sowohl während meiner Doktorarbeit als auch in meiner Postdoc-Zeit am Helmholtz Zentrum in München beschäftigte ich mich mit der Immunologie, der Onkologie und der Molekularbiologie. Mitte 2008 übernahm ich die Laborleitung bei der 4SC AG. Ab 2011 betreute ich dort zusätzlich das klinische Entwicklungsprojekt 4SC-202 und verantwortete ab 2015 die klinische Entwicklungspipeline. Seit 2017 bin ich Forschungsvorstand der Immunic AG.

Unser Ziel ist die Weiterentwicklung unserer beiden Hauptprodukte IMU-838 und IMU-366 zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen mit hohem medizinischen Bedarf.

Dr. Hella Kohlhof
CSO, Immunic AG

im Dialog: Wollten Sie schon immer Wissenschaftlerin werden?
Dr. Kohlhof: Als Kind wollte ich MTA, Krebsforscherin, Schauspielerin oder Goldschmiedin werden. Den ersten und zweiten Wunsch habe ich mir erfüllt. Die Schauspielerei habe ich über Jahre in meiner Freizeit betrieben und die Goldschmiedin hebe ich mir noch fürs nächste Leben auf.

im Dialog: Sie sind Mutter und Forscherin. Wie konnten Sie Kinder und Karriere unter einen Hut bringen?
Dr. Kohlhof: Ich habe meine Kinder am Anfang und am Ende meiner Doktorarbeit bekommen. Ich wollte auch nicht länger warten. Zudem hatte ich nach der 2. Elternzeit Unterstützung von meinem Mann und einer Tagesmutter. Als ich in den Job zurückging, konnte ich wieder in der gleichen Arbeitsgruppe im Helmholtz Zentrum mit einer halben Stelle als Postdoc anfangen. Das hat mir den Einstieg nach der Doktorarbeit sehr erleichtert und aus einer Anstellung heraus lässt sich der Schritt in die Industrie auch leichter machen. Natürlich ist es eine taffe Zeit, aber man muss sich gut organisieren, sich selber nicht so wichtig nehmen und es einfach wollen. Dann ist alles machbar. Auch das Netzwerk von gleichgesinnten Freundinnen ist wichtig. Bei mir hat das wunderbar geklappt.

im Dialog: Wie ist die Position der Frauen heute in der Biotechbranche und was würden Sie sich wünschen?
Dr. Kohlhof: Frauen haben es in der Branche weit gebracht. Trotzdem trauen sich manche Frauen nicht so viel zu wie Männer und sind deshalb vielleicht noch nicht in allen Ebenen in den Unternehmen vertreten. Ich wünsche mir, dass das selbstverständlicher wird.

im Dialog: Was würden Sie Frauen raten, die im Job Karriere machen wollen?
Dr. Kohlhof: Traut euch, das zu machen, was ihr wollt und lasst euch auf keinen Fall einschüchtern!