Das MPI für Biochemie ist in der Proteinforschung international führend

Proteine sind die Bausteine des Lebens und haben wichtige Schlüsselfunktionen: Das Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie widmet sich diesen beeindruckenden Makromolekülen und leistet damit wichtige Forschungsarbeit auf dem Weg zu neuen Therapiemöglichkeiten für Krankheiten.

MPI-von-außen

Es ist die Keimzelle des Wissenschaftscampus Martinsried: Das heutige MPI für Biochemie existiert seit 1973 und entstand durch den Zusammenschluss des ursprünglichen Max-Planck-Instituts für Biochemie, des Max-Planck-Instituts für Eiweiß- und Lederforschung und des Max-Planck-Instituts für Zellchemie. Das neu gegründete Institut blieb nicht lange allein: Angesiedelt hat sich in direkter Nachbarschaft auch das MPI für Neurobiologie. Beide Forschungseinrichtungen sind heute eng verbunden. Momentan arbeiten am Institut ca. 800 Mitarbeiter mit einem Jahresetat von 65 Millionen Euro. Es gibt circa 20 Forschungsgruppen und neun Forschungsabteilungen. Etwa 400 Wissenschaftler aus 45 Ländern untersuchen die Struktur und Funktion von Proteinen, einzelne Moleküle wie auch komplexe Organismen. Sie wollen zum Beispiel verstehen, nach welchen Regeln Zellen sich teilen, sich spezialisieren und ihre Aufgaben im Körper erfüllen. Mit diesen Forschungsschwerpunkten ist das Institut in der Proteinforschung international führend.

Die Geschäftsführende Leitung des MPI für Biochemie besteht aus einem Geschäftsführenden Direktor und zwei Stellvertretern. Prof. Dr. Reinhard Fässler steht seit 2019 an der Spitze des Instituts. Er beschäftigt sich mit Integrinen, das sind spezielle Ankerproteine, die bei der Zellteilung, der Zellwanderung und der Blutgerinnung eine essentielle Rolle spielen. Prof. Fässler ließ die IZB im Dialog-Redaktion tief in seine Forschungsgruppe und die Tätigkeiten des MPI für Biochemie blicken.

Frachtsystem-Zelle-MPI

Zellen haben ein inneres Frachtsystem, um Proteine an andere Orte der Zelle zu transportieren. Der ­Golgi-Apparat steht im Zentrum dieses Systems. An den Membranstapeln des Golgis (grün, pink, blau) werden die Proteine in Transportvesikel (hellgrün, rosa, hellblau) verpackt. Für die 3D-Rekonstruktion des natürlichen Zustands des Golgis wurden schockgefrostete Algen­zellen mit dem Elektronen­mikroskop aus unterschiedlichen Winkeln vermessen.

im Dialog: Das Max-Planck-Institut für Biochemie hat sich seit seiner Gründung nicht nur strukturell verändert, auch die Forschungsschwerpunkte haben sich verlagert. Das Hauptaugenmerk liegt heute auf der Biochemie, der Zell- und Strukturbiologie, der Biophysik und der Molekularen Medizin. Welche Ziele streben Sie als Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Biochemie an?
Prof. Fässler: Die Tätigkeit des Geschäftsführenden Direktors wechselt bei uns im Haus jährlich. Für 2019 habe ich als einer der sieben Direktoren diese Aufgaben übernommen. Diese Zeit nutze ich, um gezielt Impulse zu setzen. Mir ist besonders wichtig, dass die freien Direktorenstellen zügig mit Spitzenforscher besetzt werden.

im Dialog: Wie eng sind die Forschungsgruppen in Ihrem Institut untereinander verzahnt und wenn ja, welche Vorteile ergeben sich daraus?
Prof. Fässler: Als eines der größten Max-Planck-Institute der biologisch-medizinischen Sektion der Max-Planck-Gesellschaft haben wir mit derzeit sieben Direktoren und den dazu­gehörigen Abteilungen eine Vielzahl von Kompetenzen gebündelt. Dazu kommen noch die unabhängigen Forschungsgruppen. Die Wissenschaftler arbeiten je nach Projekt eng zusammen. Die kurzen Wege innerhalb des Institutes, aber auch zu anderen Instituten am Campus, sind ein herausragender Standortvorteil, denn sie beschleunigen oft die Beantwortung diverser Forschungsfragen.

im Dialog: Sie haben Medizin studiert und sind heute Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Biochemie. Wie kam es dazu, dass Sie eine wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen haben?
Prof. Fässler: Schon während des Medizinstudiums haben mich die grundlegenden Mechanismen von Krankheiten interessiert. In den darauffolgenden Jahren habe ich mehrere Jahre als Arzt gearbeitet und viele Patienten gesehen, denen nicht geholfen werden konnte. Ich wollte die pathologischen Mechanismen verstehen, um so die Tür für neue Therapien öffnen zu können. Dies führte mich direkt zur Grundlagenforschung.


© MPI

Forschen am aktivierbaren Zellanker
Prof. Dr. Reinhard Fässler und seine Forschungsabteilung beschäftigen sich mit Integrinen. Das sind Ankerproteine, die in der Zellmembran lokalisiert sind und die Umgebung der Zelle mit dem (Aktin-)Zell­skelett verknüpfen. Integrine spielen bei zahlreichen wichtigen Prozessen wie Zellwanderung, Zellteilung oder bei der Blutgerinnung eine essentielle Rolle. Prof. Fässler untersucht, wie Integrine diese verschiedenen Funktionen realisieren und was passiert, wenn Integrine ihre Funktionen nicht mehr ausüben können. Um die vielfältigen Funktionen und Effekte von Integrinen zu entschlüsseln, schalten die Forscher die entsprechenden Gene aus oder verändern sie punktgenau, sodass ganz bestimmte Funktionen gestört sind. Prof. Fässler ist studierter Mediziner und seit 2001 Direktor der Abteilung „Molekulare Medizin“.

im Dialog: Sie sind heute ein Spitzenforscher auf Ihrem Gebiet. An welchen Universitäten lehren Sie noch? Welche Themen unterrichten Sie dort?
Prof. Fässler: Neben meiner Tätigkeit als Direktor und Leiter der Abteilung „Molekulare Medizin“ am Max-Planck-Institut für Biochemie bin ich als Honorarprofessor an der LMU München und seit ein paar Jahren der Universität Hongkong tätig. Durch Vorträge und Seminarreihen stehe ich dort mit Forschern und Studenten im engen Austausch. Die Themenschwerpunkte der Vorträge behandeln Fragestellungen der Zellinteraktionen und ihre komplexen Wirk- und Regulationsmechanismen.

im Dialog: Mit der Entschlüsselung der fundamentalen Mechanismen, mit denen Integrine ihr komplexes Signal-Netzwerk koordinieren und kontrollieren, verbindet sich die Hoffnung auf neue Behandlungsmöglichkeiten für Krankheiten, denen eine Fehlfunktion von Integrinen zugrunde liegt. Welche Krankheiten sind das zum Beispiel und wie sieht der aktuelle Stand Ihrer Forschungsarbeit aus?
Prof. Fässler: Die Integrine vermitteln die Zellanhaftung und kommunizieren mit ihrer Umgebung. Beides sind grundlegende Prozesse in mehrzelligen, komplexen Organismen. Integrine spielen bei fast allen biologischen Prozessen eine Rolle, ganz besonders bei der Zellteilung, der Zellwanderung, der Blutgerinnung und der Immunabwehr. Wenn das System nicht korrekt funktioniert, können verschiedene Krankheiten die Folge sein.In den letzten Jahren konnten wir eine Vielzahl von molekularen Mechanismen klären. Integrine haben die faszinierende Fähigkeit, biophysikalische Eigenschaften der Zellumgebung, also zum Beispiel die Festigkeit des Gewebes, zu erkennen und die „physikalische“ Information in ein biochemisches Signal umzuwandeln. Die Konsequenzen sind ganz delikat abgestimmte Reaktionen, wie zum Beispiel eine Änderung der Zellteilungsrate, verbesserte Gewebeinvasion oder eine bessere Überlebensfähigkeit der Zelle. Diese Art von Signalweiterleitung wird als „Mechanotransduktion“ bezeichnet und spielt bei Tumoren, die fast immer fest und daher gut tastbar sind, überschießender Narbenbildung und entzündlichen Prozessen eine wichtige Rolle.

Max-Planck-Institut für Biochemie
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