Beim Schlaganfall: Die ersten Stunden ­sind entscheidend

Die Zusammenarbeit vom erstbehandelnden Arzt bis zum spezialisierten „stroke-unite“-Zentrum wird per TV-Übertragung optimiert.

Klinikum-Großhadern

Klinikum Großhadern der Universität München

Der Wissenschaftscampus Martinsried/Großhadern hat in Europa eine herausragende Rolle als Zentrum für naturwissenschaftliche Grundlagenforschung, Lehre, klinische Forschung, biotechnologische Innovationen und Technologietransfer. Hier findet alles unter einem Dach statt. Alle Institute, Fakultäten, Forschungsanstalten und das Klinikum sind fußläufig miteinander verbunden. Die beiden Max-Planck-Institute für Biochemie und für Neurobiologie, das Innovations- und Gründerzentrum für Biotechnologie (IZB), die Ludwig-Maximilians-Universität mit dem neuen Biomedizinischen Centrum (BMC), das Prionzentrum, das Genzentrum und das Klinikum Großhadern schaffen beste Bedingungen für Studierende und Wissenschaftler, gerade auch durch ihre Vernetzungsmöglichkeiten und Ausgründungen. Der jetzt beschlossene Neubau des Klinikums Großhadern wird eine Zäsur für den gesamten Campus bedeuten. In einer Serie stellen wir die wichtigsten Einrichtungen vor.

Frau-in-Space-Curl

Space-Curl: Untersuchung der Haltungsregulation im dreidimensionalen Raum (Gerät steht im Deutschen Schwindel- und Gleichgewichtszentrum – DSGZ)

Neurologische Klinik und Poliklinik sowie Deutsches Schwindel- und Gleichgewichtszentrum (DSGZ)
Die Neurologische Klinik und Poliklinik in Großhadern und in der Münchner Innenstadt ist eine der größten derartigen medizinischen Einrichtungen in Europa. Sie beschäftigt rund 400 Mitarbeiter, 50 von ihnen allein im Friedrich-Baur-Institut in München, einem 1953 errichteten ursprünglichen Stiftungswerk, das sich zunächst zur Erforschung und Behandlung von Nerven- und Muskelerkrankungen gründete. Heute ist es ein spezialisiertes Institut mit Forschungs-und Behandlungsschwerpunkten für sämtliche neuromuskulären Erkrankungen. Geleitet wird die Klinik und Poliklinik von Professor Marianne Dieterich, einer Neurologin mit dem Spezialgebiet Schwindel- und Gleichgewichtserkrankungen. Zu diesem Bereich ist das Deutsche Schwindel und Gleichgewichtszentrum (DSGZ) an das Klinikum angegliedert. Unter dem Stichwort „Neurologische Klinik“ verstecken sich nicht weniger als 15 Krankheiten zugeordnete Bereiche, die in Spezialsprechstunden betreut werden. Im Einzelnen geht es um Bewegungsstörungen mit den Bereichen Dystonie und Spastik, die mit dem Gift „Botulin“ behandelt werden, um Epilepsie, kognitive Erkrankungen in der Neurologie (Neurodegeneration), die vielen Formen von Kopf-/Gesichtsschmerzen, Motoneuron-Erkrankungen (motorische Nervenzentren), Multiple Sklerose (MS) und andere neuroimmunologische Syndrome, Muskelerkrankungen jeder Art, die Neuro-Onkologie (Krebs), Schlafstörungen, Schlaganfälle bis hin zu Schwindel-, Gang- und Augenbewegungsstörungen.

Die ersten Stunden sind entscheidend
„Wir sind in der Tat sehr breit aufgestellt“, sagt Dieterich und erklärt am Beispiel der Behandlung von Schlaganfällen, wie sehr sich die Behandlungsformen in den letzten Jahren verändert haben. Vier Stunden bleiben den Ärzten in aller Regel, einen akuten Schlaganfall mit Aussicht auf Erfolg und späterhin deutlicher Besserung zu behandeln – vier Stunden, in denen der Weg vom Erstbehandler, oft ein praktischer Arzt, bis hin zu einem spezialisierten „Stroke unit“-Zentrum möglichst kurz sein muss. Hier wird 24 Stunden am Tag gearbeitet, sechs derartige Zentren gibt es alleine in München.

Portrait-Dr.-Marianne-Dieterich

Prof. Dr. Marianne Dieterich,
Leitung Neurologische Klinik und Poliklinik & Deutsches Schwindel- und Gleichgewichtszentrum

Behandlungsempfehlung per TV-Übertragung (Telemedizin)
Das Klinikum Großhadern arbeitet mit den Kliniken Günzburg und Ingolstadt telemedizinisch zusammen, um den Südwesten Bayerns flächendeckend bei der Behandlung des Schlaganfalls zu versorgen. Die Untersuchungsbefunde des betroffenen Patienten und Behandlungsschemata werden dabei per direkter TV-Übertragung von jeder an das Netz angeschlossenen Klinik direkt nach Großhadern, Günzburg oder Ingolstadt geschickt. Der behandelnde Schlaganfall-Spezialist kann den Verlauf so live überprüfen und dirigieren: „So etwas kann vom entferntesten Ort aus gehen“, sagt Dieterich. Ärzte und Mitarbeiter werden ständig geschult, um auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Es sind unendlich viele Krankheitsbilder, die die Neurologie umfassen und die in der Klinik in Großhadern und München behandelt werden können. Dazu gehören, um nur die wichtigsten zu nennen, Parkinson, Demenzen wie Alzheimer, die gesamte Neuroimmunologie, Infektionskrankheiten, die zum Beispiel eine Gehirnhautentzündung auslösen, die Epilepsie, Schwindel- und Gleichgewichtsstörungen, Krankheiten, die durch eine spastische Motorik gekennzeichnet sind und das riesige Gebiet der Schmerzerkrankungen.

Hilfe für Schmerzpatienten
„Mit Schmerz muss der Patient lernen, richtig umzugehen“, sagt Dieterich. Oft nämlich ist beim chronischen Schmerzbild die eigentliche Ursache des Schmerzes längst behoben: „Es ist die „Software im Kopf“, die den Schmerzpatienten oft zusetzt“, sagt die Neurologin, „und dabei sei es manchmal sehr schwer, den zermürbten Patienten vom ständigen Denken an den Schmerz wegzubringen.“

Die Zukunft gehört den Netzwerkern
Natürlich wird an der Neurologischen Klinik auch geforscht und gelehrt. „Je nach Fragestellung“, sagt Dieterich, „gibt es direkte Verbindungen zu den anderen Einrichtungen des Campus, auch zum IZB. Anders geht es nicht.“ Es gebe „engste Verflecht­ungen in vielen Bereichen neurodegenerativer Erkrankungen.“ Die ­Zukunft ist auch die Gegenwart, denn „die Akutbehandlung hat sich total verändert.“ Noch mehr Augenmerk wird man ­künftig­ auf ältere Menschen haben, denn „mit dem Alter steigt auch das Risiko der neurologischen Erkrankungen.“ Es werde mehr Wert auf die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kollegen gelegt. „Die Zukunft gehört noch mehr den Netzwerkern“, so ­Dieterich.