Neugestaltung des Klinikums der Universität München, Standort Großhadern
Parallel zur laufenden Planung für den neuen Klinikcampus setzen Medizin und Pflege neue Erkenntnisse bereits um
Dezember 2018
In rund 30 Jahren sollen auf dem Gelände des heutigen Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in Großhadern die neuen Gebäude des Klinikums stehen. Für das Mammutprojekt des Freistaates steht ein dreistelliger Millionenbetrag zur Verfügung. Die derzeit zentrale Anordnung wird zu einer dezentralen. „Wir werden uns von einem großen Tanker hin zu mehreren sportlichen Yachten entwickeln“, sagt Prof. Karl-Walter Jauch, Ärztlicher Direktor des Klinikums der Universität München, im Hinblick auf den Umbau. “Wir wollen eine funktional bewegliche interdisziplinäre Struktur schaffen und den Anforderungen der sich wandelnden medizinischen Trends ständig Rechnung tragen“, erläutert Jauch die strategische Ausrichtung in einem Interview mit Susanne Simon und Rainer Rutz von der „IZB im Dialog“.
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Entwurf nach einer Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2015
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Prof. Dr. Karl-Walter Jauch
Ärztlicher Direktor des Klinikums der Universität München
Prof. Dr. Karl-Walter Jauch hat sich der Chirurgie verschrieben und ist seit 2013 Ärztlicher Direktor des Klinikums der LMU München. Vorher war er Direktor der Klinik und Poliklinik für Chirurgie der LMU sowie Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik Regensburg. Seine Schwerpunkte sind Tumorchirurgie, Metastasierungen und Transplantationsmedizin. Er hat eine Gewebebank gegründet und sich mit ethischen und rechtlichen Fragen von Körpermaterial in der Forschung beschäftigt. Zu seinen größten Errungenschaften in früheren Arbeiten zählt die Entdeckung der blutzuckersenkenden Wirkung von ACE-Hemmern. Er war unter anderem Mitglied im Transplant Board (2005 bis 2014) und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (2012/2013). Er ist Mitglied der Akademie der Naturforscher Leopoldina und erhielt 2016 das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Seit 2018 ist er Vorsitzender der Universitätsmedizin Bayern e.V.
Architektenwettbewerb 2020 abgeschlossen
Anfang 2019 wird der Architektenwettbewerb für das Klinikum europaweit ausgeschrieben, 2020 sollen die Gewinner feststehen. Dann beginnen die konkreten Vorbereitungen für den Neubau. Als erstes werden das Herz-Lungen-Gefäßzentrum, die Onkologie – beide mit Patientenbetten – und das Diagnostikum neu errichtet. Wenn alle Abteilungen stehen, wird der „Toaster“, wie er im Volksmund genannt wird, nach und nach abgetragen.“ Da durch die neuen Trends in der Medizin immer wieder neue Abteilungen entstehen, bleibt abzuwarten, ob der geplante Raum um das Klinikum ausreichen wird.
Motto der Medizinischen Fakultät und des LMU-Klinikums: Beste Köpfe, gute Strukturen, starke Verbünde und im Mittelpunkt der Mensch
Doch trotz der bevorstehenden Umwälzungen herrscht in Großhadern keineswegs Stillstand. Im Gegenteil: Allein in den letzten zwei Jahren sind mit der Gefäßchirurgie und der Neuroradiologie neue Abteilungen bzw. ein neuer Lehrstuhl entstanden, fünf weitere wurden mit international anerkannten Medizinern neu besetzt. „Wir versuchen im Klinikum die Bedingungen zu schaffen, sodass hochrangige Experten ihre Ideen und Visionen verwirklichen können“, erläutert Jauch. In Bezug auf die Forschung und die klinische Kompetenz nehmen das LMU-Klinikum und das Klinikum rechts der Isar international eine Vorreiterrolle ein. Natürlich erfordert dieser Anspruch sehr viel Flexibilität von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Klinikums.
Schlaganfalltherapie: Time is brain
Zum 1. April 2018 hat Prof. Dr. Thomas Liebig den Lehrstuhl für Neuroradiologie an der LMU und die Direktion des neuen Instituts für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie übernommen, das aus der bisherigen Abteilung für Neuroradiologie hervorgegangen ist. Er kommt von der Charité in Berlin und ist Spezialist für endovaskuläre Behandlungsverfahren unter anderem in der modernen Schlaganfalltherapie. Auf diesem Gebiet gilt: Time is brain. Je schneller ein Patient behandelt wird, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass keine bleibenden Behinderungen auftreten. So wurde das neurovaskuläre Netzwerk Südbayern (NEVAS) mit dem Ziel ins Leben gerufen, allen Schlaganfallpatienten in Südbayern die gleiche medizinische Versorgung zu bieten wie im Klinikum der Universität München. Mit Hilfe der Telemedizin können alle Patienten behandelt werden als wären sie im Universitätsklinikum. Neben dem Klinikum Großhadern sind in Günzburg und Ingolstadt Zentrumskliniken entstanden, die Anlaufstellen für alle umliegenden Kliniken sind. „Zu uns kommen komplexe Fälle, die einfacheren können in der Region bleiben“, beschreibt Jauch die Effizienz des Netzwerkes.
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Stentprothese für Aortenaneurysma wird im OP individuell angepasst
Änderungsschneiderei für Gefäßpatienten
Arterielle und venöse Gefäßerkrankungen sind Volkskrankheiten, von Krampfadern bis zum Aortenaneurysma, der Erweiterung der Hauptschlagader. Um die steigende Nachfrage nach Behandlungen vaskulärer Erkrankungen zu decken, wurde am 1. September 2018 am LMU-Klinikum ein Spezialzentrum für Gefäßchirurgie eröffnet. Der neue Direktor der Abteilung, Prof. Dr. Nikolaos Tsilimparis vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, verfügt über eine hervorragende Expertise mit dem Schwerpunkt Aortenchirurgie. Er ist einer der wenigen Spezialisten weltweit, der Stentprothesen mit Öffnungen und Seitenarmen für den Notfall selbst im OP modifizieren kann. „Das ist wie in einer Änderungsschneiderei für Gefäßpatienten“, freut sich Jauch über diese außergewöhnliche Expertise. „Wir werden ein überregionales Referenzzentrum für komplexe Gefäßpathologien aufbauen und mit allen Fachabteilungen interdisziplinär zusammenarbeiten“, erläutert Tsilimparis sein neues Konzept.
Ein neuer Trend: Bildgebung und Behandlung
Die Arbeitsbereiche der Medizin sind einem ständigen Wandel unterzogen. Früher wurden in der Radiologie überwiegend Bilder erzeugt und analysiert. Heute ist der Bereich viel komplexer geworden. So konnte mit Prof. Jens Ricke zum 15. Juni 2017 ein weiterer führender Experte auf seinem Gebiet gewonnen werden. Er hat den Lehrstuhl für Radiologie an der LMU München übernommen sowie das Ordinariat der Klinik und Poliklinik für Radiologie am Klinikum in der Innenstadt und in Großhadern. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören insbesondere die klinische minimalinvasive Onkologie und Krebstherapie mittels bildgeführter Mikrotherapie. Hier werden bei Patienten krankhafte Veränderungen unter Einsatz kleinster Instrumente bildgesteuert behandelt. So kann Ricke auch in geschlossenen Organen wie Leber, Lunge oder Niere arbeiten.
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Klinikum der Universität München, Standort Großhadern
Spezialist in der Anwendung neuer Krebstherapien
Gerade in der Onkologie erscheinen derzeit stets neue Therapien auf dem Markt, vor allem mit personalisierten Ansätzen. Auch die Nobelpreisträger für Medizin sind in diesem Jahr für eine innovative Krebstherapie ausgezeichnet worden. Die Entwicklungen gehen hier rasant voran. „Das LMU-Klinikum ist mit dem Klinikum rechts der Isar als onkologisches Spitzenzentrum von der Deutschen Krebshilfe zertifiziert worden und gehört damit zu den führenden Krebszentren Europas. Das LMU-Klinikum erfüllt die hohen Qualitätsstandards für klinische Studien, hinsichtlich der Dokumentation, Prozessqualität, Kompetenz der Ärzte und Pflegekräfte sowie Recruiting der Patienten“, erklärt Prof. Jauch. Die Therapien werden für den Patienten maßgeschneidert. Hierzu gehört zum Beispiel auch die Antikörper-Therapie von MorphoSys, eines der größten Biotechunternehmen Deutschlands, das im Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB) einmal als Start-up begonnen hat. Novartis und Gilead Sciences sind Pioniere in der neuen CAR-T-Zelltherapie. „Da wir mit beiden Firmen zusammenarbeiten, sind wir eines der bundesweiten Anwenderzentren für diese vielversprechende Krebstherapie“, so Jauch.
Enge Kooperationen von internationalen Experten
So arbeiten die beiden neu ernannten Direktoren Prof. Dr. von Bergwelt, ein Spezialist in der Immunonkologie, und Prof. Dr. Humpe, ein ausgewiesener Experte im Bereich der Transfusions- und Zell-Therapie, sehr eng zusammen. Seit 1. Dezember 2017 hat Prof. Dr. Michael von Bergwelt den Lehrstuhl für Innere Medizin mit den Schwerpunkten Hämatologie und Onkologie an der LMU sowie die Leitung der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Klinikum der Universität München übernommen. Zum 1. November 2018 wurde Prof. Dr. Lars E. French neuer Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am LMU-Klinikum. Der international anerkannte Hautarzt und Wissenschaftler, früher am Universitätsspital in Zürich tätig, legte im Bereich der Immunbiologie einen Fokus auf angeborene Immunität und deren Rolle bei entzündlichen Hautkrankheiten. Weitere Schwerpunkte seiner Forschung sind die Tumorimmunologie und die Pathogenese von schweren kutanen Arzneimittelallergien. Schließlich wurde Anfang Juli mit Marcus Huppertz ein neuer Pflegedirektor für das Klinikum gefunden. Er übernimmt die Fachverantwortung für etwa 3.000 Pflegekräfte des Klinikums der LMU mit den beiden Standorten Großhadern und Innenstadt.
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Als einzige Klinik weltweit arbeitet das Klinikum der Universität München am Standort Großhadern mit der ISS und Alexander Gerst am Weltraumprojekt CIMON
Projekt des Klinikums: Alexander Gerst und der Roboter CIMON
Das LMU-Klinikum am Standort Großhadern ist an einem zukunftsweisenden Experiment hoch oben am Firmament beteiligt. „Wir sind die einzige Klinik weltweit, die an diesem Projekt mitgearbeitet hat“, erklärt Jauch stolz. Es heißt CIMON und dreht sich um die Entwicklung eines Astronauten-Assistenten, von dessen Erfahrungen LMU-Mediziner um Dr. Judith-Irina Buchheim und Professor Dr. Alexander Chouker von der Klinik für Anästhesiologie profitieren wollen. Robotik und Digitalisierung werden die Medizin künftig verändern. Das jetzt auf der Raumstation ISS getestete System ist von LMU-Medizinern mitentwickelt worden. Die Versuche sollen Hinweise ergeben auf die künftige Anwendung eines auf künstlicher Intelligenz basierten Begleiters für den Menschen, nicht nur wie jetzt im Weltall, sondern auch im Alltag oder in Kliniken. Zwar können Roboter das Fachpersonal nicht ersetzen, aber sie können Qualität und Intensität von Behandlungen unterstützend begleiten. Sie erkennen menschliche Signale, wie zum Beispiel Blutdruck, Körpertemperatur, Mimik, Stimme oder Körperhaltung, und können diese einordnen. CIMON interpretiert die emotionale Situation von Menschen, mit denen er Kontakt hat, und kann darauf eingehen.
Insgesamt hält Jauch zum Schluss des Interviews fest, dass sowohl für die Ärzte als auch für das Pflegepersonal die Herausforderung darin bestehen wird, bei aller Technik stets den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.
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