„Jeder ist seines eigenen ­Glückes Schmied

Interview mit Prof. Dr. Julia Mayerle, Expertin für Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse am Klinikum Großhadern

Zum 1. November 2016 hat Prof. Dr. Julia Mayerle in der Nachfolge von Prof. Dr. Burkhard Göke den Lehrstuhl für Gastroenterologie und Hepatologie, verbunden mit der Leitung der Medizinischen Klinik II am Campus Großhadern und der Innenstadt übernommen. Mayerle wurde für ihre wissenschaftliche Arbeit mit einem Schwerpunkt auf Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und häufig vorkommenden Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts wie die Helicobacter pylori induzierte Gastritis mit dem Martin-Gülzow-Preis, dem Sir-Hanns-Krebs Preis und dem Thannhauser-Preis ausgezeichnet. Zuletzt wurde sie zusammen mit einem Berliner und Greifswalder Team aus Wissenschaftlern für die Entwicklung eines Früherkennungstest eines Pankreaskarzinoms für den Innovationspreis Berlin-Brandenburg nominiert. Die Medizinerin hat sich in den Gremien ihrer nationalen und internationalen Fachgesellschaften engagiert, sich an der Entwicklung von Therapieleitlinien beteiligt und deren Entwicklung für ihre Fachgesellschaft koordiniert. Susanne Simon und Rainer Rutz haben Sie im Klinikum Großhadern besucht und für die Rubrik „Frauen auf dem Campus“ interviewt.

Portrait-Prof.-Dr.-Julia-Mayerle

Prof. Dr. Julia Mayerle,
Leitung der Medizinischen Klinik II

im Dialog: Frau Prof. Mayerle, was reizt Sie an der Medizin?
Prof. Mayerle: Ich wollte schon als Kind Ärztin werden. Heute ist es mir wichtig, Krankenversorgung und Wissenschaft miteinander zu verbinden. Ich schätze die Freiheit, grundlagenwissenschaftliche Fragestellungen translational bearbeiten zu können. Forschung und Krankenversorgung sind für mich untrennbar mit einander verbunden.

im Dialog: Was war Ihr erster Kontakt zum Campus Martinsried/Großhadern?
Prof. Mayerle: Das Thema meiner Doktorarbeit zur Pankreatitis und der Regulation von Zelladhäsionsproteinen durch Tyrosinphosphatasen habe ich von Professor Markus Lerch, der eine Zeit als Post-Doc bei Prof. Axel Ullrich, Direktor der Abteilung Molekularbiologie am MPI für Biochemie in Martinsried, gearbeitet hat, erhalten. Axel Ullrich ist einer der erfolgreichsten Gründer am Campus und hat somit indirekt meinen Grundstein für meine Forschungsarbeit an der Bauchspeicheldrüse gelegt. ­

im Dialog: Das Pankreaskarzinom wird für 2030 als zweithäufigste Krebstodesursache prognostiziert. Warum sind die Fortschritte in der Therapie noch so wenig greifbar?
Prof. Mayerle: Im Vergleich zu anderen Krebserkrankungen ist unser Erfolg Therapiekonzepte zu entwickeln und umzusetzen bisher geringer. Dies hat unterschiedliche Gründe: die Erkrankung ist lange symptomfrei und wird häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Das Organ ist relativ schlecht zugänglich um Gewebe zu gewinnen, der Tumor ist sehr heterogen und von einer Bindegewebskapsel umgeben, die die Aufnahme einer Chemotherapie verhindert. Nichts desto trotz ist es uns gelungen, in den letzten Jahren durch eine adjuvante Chemotherapie (nach Operation des Tumors) das 5-Jahresüberleben auf 26 Prozent zu steigern und auch in der palliativen Situation durch eine kombinierte Chemotherapie das mediane Überleben zu verdoppeln. Die Sterblichkeit einer schweren Bauchspeicheldrüsenentzündung ist für eine gutartige Erkrankung mit bis zu 15% hoch. Bisherige Versuche durch kausale Therapieansätze die Erkrankung zu heilen waren nicht erfolgreich, sodass die Therapie aktuell in der Regel symptomorientiert ist. Unser Krankheitsverständnis hat sich in den letzten Jahren jedoch enorm entwickelt. So wissen wir heute, dass Mutationen in Genen die für Verdauungsenzyme kodieren für eine chronische Bauchspeichelentzündung prädisponieren. Das Interesse der Pharmaindustrie für diese Erkrankung gilt es zu wecken, denn klinische Studien sind fast nur mit der Hilfe der Industrie umzusetzen.

im Dialog: Wie wird eine Bauchspeicheldrüsenentzündung heute behandelt?
Prof. Mayerle: Zwei Prozent der Patienten in einer internistischen Notaufnahme sind daran erkrankt. Heute fängt man das Organversagen durch Flüssigkeitsgabe ab, behandelt Schmerzen, sorgt für eine ausreichende Versorgung mit Kalorien möglichst durch eine enterale Ernährung (über eine Magensonde), behandelt Infektionen mit Antibiotika, entfernt endoskopisch eingeklemmte Gallensteine und stabilisiert so die Organfunktion. Im Rahmen einer Endoskopie kann man minimal-invasiv abgestorbenes Gewebe entfernen. Auch für die schwere Bauchspeicheldrüsenentzündung ist die Sterblichkeit in den letzten Jahren deutlich gesunken und wir lernen dazu, wenn auch langsamer als wir uns das wünschen würden.

im Dialog: Sie sind gebürtige Münchnerin, habe aber lange in Greifswald gearbeitet. Wie war Ihr beruflicher Werdegang?
Prof. Mayerle: Nach meinem Studium für Humanmedizin in Münster war ich 13 Jahre an der Universität Greifswald tätig, an der ich 2011 auf eine Professur für Innere Medizin und molekulare Gastroenterologie berufen wurde. Ab diesem Zeitpunkt übernahm ich als stellvertretende Klinikdirektorin der Klinik für Innere Medizin A der Universitätsmedizin Greifswald die Leitung der zentralen Endoskopie. 2016 kehrte ich in meine Heimat zurück und leite seitdem die Medizinische Klinik II am Campus Großhadern.

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Entzündete-Bauchspeicheldrüse-

Die Bauchspeicheldrüse liegt zwischen Magen, Leber und Milz. Die Bauchspeicheldrüse produziert Verdauungsenzyme sowie Enzyme zur Blutzuckerkontrolle. Bei Verlust der Bauchspeicheldrüse können Nährstoffe nicht mehr aufgeschlossen werden und es entsteht eine Diabetes mellitus.

im Dialog: Haben Sie das Gefühl, dass Sie es als Frau in einer Führungsposition schwerer hatten?
Prof. Mayerle: Ich hatte immer das Gefühl, von männlichen Kollegen maximal gefördert zu werden, da gab es nie Schwierigkeiten. Aber die Psychologie der Frau ist anders als die des Mannes. Frauen stellen viel mehr ihr eigenes Können in Frage. Männer sind schneller von ihren Fähigkeiten überzeugt und streben mit aller Macht danach, dies unter Beweis zu stellen.

im Dialog: Können Sie uns dazu ein Beispiel geben?
Prof. Mayerle: Wenn ein Mann die Leitung einer Klinik angeboten bekommt, ist er überzeugt, der Richtige dafür zu sein. Eine Frau in der gleichen Lage zögert zuerst und überlegt, welche ­Fähigkeiten ihr eventuell noch fehlen könnten. Der größte Feind einer Frau ist die Frau selbst. Unser Anspruch ist es, es allen Recht zu machen. Dabei ist es nicht immer leicht, die Work-Life-­Balance nicht aus dem Auge zu verlieren. Umso wichtiger ist es, dass wir unseren Beruf auch als Hobby begreifen, denn wenn Sie am Sonntag ein Manuskript schreiben und sich dabei nicht erholen, sondern das als Belastung empfinden, dann schränkt das unsere ­Leistungsfähigkeit und unser Wohlbefinden in der nächsten Woche immens ein.

im Dialog: Was würden Sie einer jungen Kollegin empfehlen, die am Anfang ihrer Karriere steht?
Prof. Mayerle: Prüfe dich einmal in der Woche, ob dir die ­Arbeit Spaß macht. Denn man kann nur dann etwas Außergewöhnliches leisten, wenn man mit Freude arbeitet. Wertschätzung von außen ist in unserer Gesellschaft häufig Mangelware. Deshalb muss die Motivation für das eigene Tun von Innen kommen. Stimmt etwas nicht, muss man konsequent sein. Wichtig ist, sein Leben nicht zu vertrödeln, sondern es selbst in die Hand zu ­nehmen.

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